Projekt
Das einstige Nachkriegsgebäude erfüllt bereits heute die hohen Energieeffizienzstandards, die für Neubauten ab 2025 gesetzlich vorgeschrieben sind. Das Projekt macht deutlich, welche Energiesprünge im Bestand möglich sind.
Das viergeschossige Mehrfamilienhaus aus den 60er Jahren ist das erste Energiesprong-Projekt, das die Prinzipien des kreislaufgerechten Bauens in den seriellen Sanierungsansatz integriert. Dazu wurde eine Konstruktion entworfen, die nachhaltig, rückbaubar und recyclingfähig ist. Die Fassadenelemente sind in Holztafelbauweise hergestellt, mit Zellulosedämmung gefüllt und wurden so geplant, dass sich die verbauten Materialien am Ende des Lebenszyklus wieder sauber voneinander trennen lassen. Dies ermöglicht eine weitere Nutzung im Rahmen der zirkulären Bauwirtschaft.
Großen Wert legten die Architekten zudem auf eine hochwertige Fortschreibung des Städtebaus. Gerade im Hinblick auf die architektonisch und qualitativ oft wenig überzeugenden Nachkriegsbauten bietet sich im Rahmen der seriellen Sanierung die Chance, die energetische Modernisierung mit der gestalterischen Optimierung zu verbinden.
- 65% Erneuerbare Energien
- Sanierung
- Serielles Sanieren
- Wärmepumpe
- Wohngebäude
Bautafel:
BAUVOLUMEN
992 m²
BAUZEIT
03/2022 – 09/2022
BAUKOSTEN
1,9 Mio. Euro (876.000 Euro über das BEG-Programm des Bundes und 235.000 Euro über das Interreg-Programm der EU gefördert)
ENERGETISCHER ZUSTAND
Vorher: Baujahr 1962, Energiebedarf für Heizung und TWW 201 kWh/m²a (zentral über Gaskesser)
Nachher: EH-40Plus-Standard mit Endenergiebedarf (TWW und Heizung) von 22 kWh/m²a
VERWENDETES MATERIAL
Thermische Hülle: Mineralwolle, Fassadenelement aus Holz inklusive Zellulosedämmung, Fenstern, Lüftungsgeräten und Leerrohren (vorgefertig)
hochdämmende, vorgefertigte Dachelemente
VERWENDETE GEBÄUDETECHNIK
64,8 Kilowatt-Peak (kWp) starke Photovoltaikanlage
2 Luft-Wärmepumpen in Kaskadenschaltung, jeweils 16 kWth
950 Liter Pufferspeicher
dezentrale, wohnungsweise Durchlauferhitzer
fassadenintegrierte, dezentrale Lüftung mit Wärmerückgewinnung
Herausforderungen
Anlässlich ihres 100-jährigen Jubiläums entschloss sich die Wohnungsgenossenschaft am Vorgebirgspark eG bereits 2020 mit einer Energiesprong-Sanierung in Köln-Zollstock ein Zeichen gegen den Klimawandel zu setzen. Nachdem der ursprünglich vorgesehene Gesamtlösungsanbieter aus dem Projekt ausstieg, übernahmen mit Zeller Kölmel Architekten, Energiebüro vom Stein und Korona Holz & Haus drei regionale Partner die serielle Sanierung.
Die attraktive Fassade mit einer Verkleidung aus kleinteiligen Aluminiumrauten stellte ebenfalls eine Herausforderung dar. Technisch bedingt erfolgt deren Verlegung vor Ort auf der Baustelle. Da dies sehr arbeitsintensiv ist, erarbeiten die Architekten zusammen mit dem Hersteller eine Lösung, bei der die Rauten bereits werkseitig auf die Fassadenelemente aufgebracht werden können.
Ziele & Erfolge
Die Sanierung erfolgte weitestgehend minimalinvasiv und war somit mit vergleichsweise wenig Eingriffen in die bewohnten Wohnungen verbunden. Die 16 Mietparteien konnten während der gesamten Sanierungszeit in ihren Wohnungen verbleiben. Innerhalb weniger Monate ist 992 Quadratmeter klimaneutraler Wohnraum zu weiterhin bezahlbaren Mietpreisen entstanden.
In dem Gebäude sind zwei Wärmepumpen in Kaskadenschaltung mit jeweils 16 kWth im Einsatz. Ergänzt werden diese durch einen 950 Liter Pufferspeicher. Als Wärmequelle dient die Außenluft. Die Effizienz der Anlage liegt bei 4 (JAZ). Die Trinkwassererwärmung erfolgt durch dezentrale, wohnungsweise Durchlauferhitzer. Am Gebäude selber kommt eine fassadenintegrierte, dezentrale Lüftung mit Wärmerückgewinnung sowie eine Photovoltaikanlage mit 64 KWP zum Einsatz. Bei der Sanierung wurden vorgefertigte Fassadenelemente mit hohem Dämmstandard und dezentralen Lüftungseinheit samt Wärmerückgewinnung eingesetzt. Darüber hinaus wurden alle Heizkörper ausgetauscht und mit Heizkörperventilatoren ausgestattet, wodurch die Wärme effizienter an die Raumlauft übertragen werden kann.
Die Bewohnerinnen und Bewohner sind durch die Sanierung komplett von fossilen Brennstoffen entkoppelt und damit dauerhaft vor steigenden Energiepreisen geschützt. Trotz Erhöhung der Kaltmiete um 1,50 Euro pro Quadratmeter müssen die Mietparteien durch die Energieeinsparungen unterm Strich nicht mehr bezahlen als vor der Sanierung.
Das Gebäude übertrifft nach der Energiesprong-Sanierung den klimaneutralen NetZero Standard, denn es erzeugt mehr Energie, als die 16 Mietparteien für Heizung, Strom und Warmwasser benötigen. Dank des erreichten 40 EE Standards verbraucht es nach der energetischen Sanierung maximal 40 Prozent des laut GEG zulässigen Energiewertes.
Lessons learned
Eine wichtige Erkenntnis ist die notwendige Bestandsaufnahme in jeder Wohnung. Geplant war eine strangweise einheitliche Umsetzung des Heizkörpertausches in den Wohnungen. Man ging davon aus, dass die Wohnungen alle baulich gleich sind. Im laufenden Prozess wurden bauliche Änderungen sichtbar, welche nicht in den Plänen verzeichnet waren. Hier empfiehlt sich eine wohnungsweise Aufnahme der Heizkörperabmessungen im Vorfeld der Planungen.
Es hat sich außerdem als erfolgreich gezeigt, die Mietenden im Vorfeld und während des Bauvorhabens in den gesamten Prozess einzubeziehen. So fand ein transparenter Austausch über die zukünftig verringerten Heizkörpertemperaturen statt. Denn die maximale Raumtemperatur wurde auf 22°C, in Bädern auf 24°C, festgelegt. Befürchtungen der Mietenden konnten durch das unerwartet positive Komforterlebnis aufgrund des hohen energetischen Standards beseitigt werden.
Zudem hat sich gezeigt, dass die Fassade ein versorgungstechnischer Alleskönner ist, der viel Potenzial für die Weiterentwicklung der seriellen Sanierung bietet. Theoretisch ist es möglich, die technische Versorgung der Wohnungen weitestgehend über die Fassade zu realisieren. Dies erfordert allerdings eine deutlich höhere Planungstiefe. Ziel sollte es sein, die Wartung und Instandhaltung der Haustechnik in Zukunft ohne Betreten der Wohnungen zu ermöglichen.
Damit alle vom gesammelten Wissen aus dem Pilotprojekt in Köln-Zollstock profitieren, entwickeln Zeller Kölmel Architekten mit Mitteln der Bundesförderung Serielles Sanieren einen digitalen Planungsbaukasten, der Architekten und Planer Schritt für Schritt durch den Planungsprozess führt und ihnen die Besonderheiten der seriellen Sanierung nach dem Energiespong-Prinzip verdeutlicht.
Weitere Inhalte
Das Pilotprojekt in den Medien:
- „Gute Nachrichten vom Planeten – Wie wir Städte lebenswerter machen“, arte Dokumentation
- Fassaden aus der Fabrik, Süddeutsche Zeitung
- Serielle Sanierung nach den Energiesprong-Konzept, Deutsches Architektenblatt
- Serielles Sanieren mit Energiesprong, tab
- Serielle Sanierung – die effektivere Lösung?, Baumeister Das Architektur-Magazin