Projekt
Die Modellstadt Bottrop hat 2010 den revierweiten Wettbewerb „InnovationCity Ruhr“ des Initiativkreis Ruhr gewonnen. Ehrgeiziges Ziel war die Halbierung der CO2-Emissionen und eine Erhöhung des Einsatzes erneuerbarer Energien innerhalb der Projektlaufzeit bis 2020. Dafür wurden verschiedene Handlungsfelder wie Arbeit, Energie, Mobilität, Stadt und Wohnen bespielt. Die im „Masterplan klimagerechter Stadtumbau“ entwickelten Maßnahmen wurden auf sieben teilnehmende Quartiere aufgeteilt. In ihnen war die sogenannte „Energiewende von unten“ auch maßgeblich verankert.
Nicht nur die Stadt als Eigentümerin öffentlicher Liegenschaften war angesprochen, sich an dem Piloten zu beteiligen, sondern auch lokale Unternehmen, Industriebetriebe, Wohnungsbaugesellschaften, Gebäudeeigentümerinnen und -eigentümer, Vereine und jede Person, die durch verschiedene Maßnahmen und Verhaltensänderung ihren Energieverbrauch bzw. CO2-Ausstoß senken kann. Dementsprechend gab es eine breite Palette an Einzelprojekten für jede Zielgruppe: von Bildungsworkshops, über naturnahes Gärtnern bis zu Großprojekten wie der Umwandlung des Klärwerks zum Hybrid-Kraftwerk.
Durch das Pilotprojekt konnten sehr viele Menschen motiviert werden, sich an Klimaschutz- und Effizienzmaßnahmen aktiv zu beteiligen. So lag die Sanierungsquote im Durchschnitt bei 3,3 Prozent (im Vergleich zu 0,72 Prozent in Deutschland 2023, Quelle: Bundesbaublatt), 35,3 GWh Solarstrom werden seitdem jährlich auf unzähligen Dächern in Bottrop produziert, zahlreiche Höfe wurden entsiegelt und Fassaden begrünt.
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- Quartier
Bautafel:
PROJEKTLAUFZEIT
2010 - 2020
REDUZIERUNG CO2-EMISSIONEN
>50% - von 341.876,6 t auf 170.618,5 t (bezogen auf die unten genannten Bereiche)
FÖRDERPROGRAMME / INVESTITIONEN
Insgesamtes Investitionsvolumen aus Mitteln der Stadt, Bundes- und Landesförderungen und Privatinvestitionen belaufen sich auch 732 Mio. Euro, davon stammen nur circa 30 % aus öffentlichen Mitteln.
Förderrichtlinie 11.1. der Stadt Bottrop: 2,7 Mio. € – hat in Gesamtinvestment von 21,08 Mio. € resultiert (Modernisierung priv. Wohngebäude, aus 1€ Förderung wird 7,80€ Investitionsvolumen)
Solaroffensive 2019
Grünes Bottrop (Dach- & Fassadenbegrünung)
Herausforderungen
Der Transformationsprozess von fossiler zu erneuerbarer Energie ist gerade in den ehemaligen Kohlerevieren herausfordernd, da auch eine Vielzahl an Arbeitsplätzen und Wertschöpfung an der „alten“ Energie hängen. Dem Verlust, der viele Menschen direkt betrifft, sollte etwas Positives entgegengestellt werden, was auch der ganzen Stadt einen Mehrwert zurückgibt.
Der Initiativkreis Ruhr, ein Zusammenschluss von 70 führenden Unternehmen, hat den Anstoß zur InnovationCity Ruhr gegeben. Daraus ist auch das Innovation City Management (ICM) für das Projektmanagement entstanden.
Obwohl einige Großprojekte existierten, war die Aktivierung einer breiten Bewohnerschaft für das energetische Modernisierungsprogramm des Gebäudebestands in den einzelnen Quartieren besonders wichtig.
Komplizierte Förderrichtlinien werden oft als Hemmschwelle wahrgenommen und können Investition sogar verhindern. Als Pilotprojekt konnte eine spezielle, verschlankte Förderrichtlinie für die energetische Sanierung des Gebäudebestands privater Eigentümerinnen und Eigentümer genutzt werden. Dabei durften Städtebaufördermittel der Landesregierung NRW an Gebäudeeigentümerinnen und -eigentümer weitergegeben werden. Dazu wurden die häufigsten Haustypen der teilnehmenden Quartiere nach der „Gebäudetypologie zur energetischen Bewertung des Gebäudebestands“ des Instituts Wohnen und Umwelt (IWU) katalogisiert. Fördersätze wurden nach den möglichen CO2-Einsparungen der Maßnahmen festgelegt: Wer beispielsweise 10 Prozent CO2 reduziert, bekommt 10 Prozent Förderung. Die Förderhöhe war auf 25 Prozent der anrechenbaren Investitionskosten begrenzt.
So war es möglich, viele Einzeleigentümerinnen und -eigentümer für kleine Effizienzmaßnahmen zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes zu aktivieren. Über ein öffentlich zugängliches Online-Tool konnten der eigene Gebäudetyp und die resultierenden Fördermöglichkeiten für verschiedene Maßnahmen abgefragt werden.
Darüber hinaus wurden interessierte Eigentümerinnen und Eigentümer kostenlos bei der Planung und Umsetzung der Modernisierungsmaßnahmen begleitet und beraten.
Ziele & Erfolge
Insgesamt wurden 241 Projekte mit zahlreichen Einzelmaßnahmen in den unterschiedlichen Handlungsfeldern abgeschlossen, zahlreiche weitere erfolgreich initiiert. Im Wohnsektor werden jährlich knapp 78.500 t CO2-Emissionen vermieden. In den involvierten Quartieren haben 30 Prozent aller Gebäudeeigentümerinnen und -eigentümer an kostenlosen Energieberatungen teilgenommen. An 23 Prozent aller im Pilotgebiet befindlichen Wohngebäude wurden energetische Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt. Die jährliche Produktion von Solarstrom beträgt 35,3 GWh.
Die auf das Stadtgebiet verteilten Anlaufstellen der ICM (Innovation City Management) und die Rolle der Quartiersmanager sicherten den Kommunikations- und Informationsfluss zwischen Bürgerschaft und Verwaltung und waren für den Erfolg sowie die Aktivierung sehr vieler Beteiligter erheblich.
Beliebte Kommunikationsformate:
- Weithin bekannte Anlaufstellen, wie das Zentrum für Information und Beratung (ZIB) im Stadtzentrum von Bottrop und die Quartiersbüros mit ihren festen Sprechzeiten und Ansprechpersonen (Quartiersmanager), später auch One-Stop-Shops für Gebäudeeigentümerinnen und ‑eigentümer, die eine energetische Sanierung planten
- Direkte Ansprache: Insbesondere ältere Personen wurden erreicht (Veranstaltungen, Informationsstände auf Wochenmärkten, Hausbesuche u.ä.). Jüngere erreichten die Kampagnen weniger. Das kann an der Art der Informationskanäle liegen oder der Tatsache geschuldet sein, dass eher ältere Menschen Eigentum besitzen. Heute würden mehr Online-Formate, Videoberatung etc. angeboten werden.
- Veranstaltungen zu bestimmten Themen, wie Wärmepumpe, Dämmung o.ä. mit Energieberatenden und Herstellern von Anlagentechnik oder Dämmmaterialien sind sehr gut angekommen. Dabei wurden relevante Exponate ausgestellt. Interessierte konnten Fragen stellen und ggf. persönliche Beratungstermine ausmachen.
- Wirksam waren auch Hausbesuche, bei denen Energieberatende des Quartiersmanagements die Gebäudeeigentümerinnen und ‑eigentümer direkt zu Suffizienz- oder Sanierungsmaßnahmen berieten. Daraufhin ist es häufiger zu der Umsetzung einer vorgeschlagenen Maßnahme gekommen, als nach einer Beratung in den Räumlichkeiten des Quartiersmanagements.
Lessons learned
Es gibt einige wichtige Argumente, die die Menschen motiviert haben, sich selbst mit investiven Maßnahmen zu beteiligen:
- Mit dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit waren die meisten Leute zu erreichen. Damit können am ehesten auch diejenigen motiviert werden, bei denen noch kein großes Interesse für die Themen der Energiewende und des Klimawandels vorhanden ist.
- Auch sehr relevant für die Motivation von Menschen ist die Nachvollziehbarkeit. In einer Beratung sollte jede Option mit Amortisierungszeiten hinterlegt werden, die nachvollziehbare Szenarien und Kennwerte nutzen und das Ziel im Blick behalten. Die Wirksamkeit der Maßnahmen sollte verständlich gezeigt werden können.
- Erfolgreich waren darüber hinaus Kooperationen mit lokalen Unternehmen und der Industrie als Multiplikatoren für die Zielsetzung und als Argument für regionale Wertschöpfung.
Das Pilotprojekt hat gezeigt, dass es unerlässlich ist, immer wieder die Menschen zu motivieren und zu aktivieren. Das ist sehr aufwendig aber nötig, um auch diejenigen zu erreichen, die sich nicht ohnehin schon für den Klimaschutz engagieren.
Die große Aufmerksamkeit, die das Projekt erhalten hat, hat in gewisser Weise auf den sportlichen Ehrgeiz eingezahlt, das Ziel der Halbierung des CO2-Ausstoßes in 10 Jahren auch zu erreichen.