Projekt
In dem UNESCO-Weltkulturerbe Zollverein in Essen wurde ein Gebäude errichtet, das Vorbild-Charakter für ein Kreislaufhaus hat: das Verwaltungsgebäude der RAG-Stiftung und ihrer Tochtergesellschaft RAG Aktiengesellschaft. Das mit Nachhaltigkeits- und Architekturpreisen prämierte Gebäude zeichnet sich durch eine sensible Integration in das denkmalgeschützte Ensemble aus. Unter Berücksichtigung der Maxime „Jeder Quadratmeter Welterbe ist wertvolle Fläche“ wurde mit einem begehbaren, begrünten Dachgarten nicht nur die durch die Baumaßnahme versiegelte Fläche kompensiert, sondern auch ein attraktiver Raum für Mitarbeitende und ein identitätsstiftender Mehrwert an der Schnittstelle zur Industriekultur geschaffen.
Das zweigeschossige Gebäude besitzt eine Geschossfläche von rund 9.200 Quadratmetern und erfüllt modernste Nachhaltigkeits-Standards. So liegt der Energiebedarf des Gebäudes 43 Prozent unter den Neubauanforderungen der zur Fertigstellung 2018 gültigen EnEV. Die architektonische Gestaltung und die gewählten Materialien sorgen dafür, dass sich das Gebäude der RAG-Stiftung nahtlos in die umgebende, denkmalgeschützte Bebauung einfügt, wodurch ein harmonisches Zusammenspiel von historischer Substanz und moderner Architektur entsteht.
- 65% Erneuerbare Energien
- Energieeffizienz
- Neubau
- Nichtwohngebäude
- Wärmepumpe
- Zirkuläres Bauen
Bautafel:
BAUVOLUMEN
9.600 m² BGF (davon 620 m² unterirdisch)
Nutzfläche 5.800 m²
Dachterrasse 3.400 m².
BAUZEIT
05/2016 - 12/2018
ENERGETISCHER ZUSTAND
43% unter Neubauanforderung gemäß EnEV (2018)
Stromertrag ca. 80.000 kWh/a
VERWENDETE GEBÄUDETECHNIK
Geothermie
Spitzenlastabdeckung Fernwärme
PV-Anlage
Kältemaschine
Betonkernaktivierung
Herausforderungen
Zu den zentralen Herausforderungen zählten zu Beginn des Projektes, einen Standort zu finden, der für die bisher räumlich getrennt arbeitenden Mitarbeitenden gut erreichbar war und gleichzeitig ein angemessenes Umfeld bot, das den Werten und Zielen der RAG-Stiftung und der RAG Aktiengesellschaft entsprach. Gleichzeitig sollte das neue Gebäude hohe Standards in Bezug auf Nachhaltigkeit sowohl im Bau als auch im Betrieb erfüllen. Auch das historische Umfeld des Zollvereins stellte hohe Anforderungen an die architektonischen und baulichen Möglichkeiten. Kurz gesagt: Es galt, ein Gleichgewicht zwischen der Bewahrung des historischen Charakters und der Schaffung moderner, zukunftsorientierter Arbeitsumgebungen zu finden.
Ziele & Erfolge
Für die Mitarbeitenden präsentiert sich das Verwaltungsgebäude als ein ästhetisch ansprechendes Arbeitsumfeld, das ökologische Mehrwerte gleichzeitig funktional nutzt. So dient das intensiv begrünte Dach nicht nur der Biodiversität und bietet eine hohe Retentionsfähigkeit, sondern es sorgt auch für hohe Nutzungs- und Erholungsqualität. Die installierten PV-Anlagen sind so konzipiert, dass sie hoch aufgeständert als Pergola dienen und so im Sommer einen angenehmen Schattenwurf für die Aufenthaltsbereiche bieten.
Die Innovation des Gebäudes liegt auch in der Ausführung: Es wurde nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip konzipiert und erhielt dafür die höchste DGNB-Zertifizierung in Platin. Darüber hinaus wurde das Gebäude als Pilotprojekt im Rahmen des EU-Forschungsprojekts „Buildings as Material Banks“ (BAMB) begleitet. Hierbei lag der Fokus auf die Verwendung nachhaltiger und wiederverwendbarer Materialien, die in einem sogenannten Material-Passport dokumentiert wurden.
Zur Erzeugung von Kälte und Wärme wird Geothermie genutzt, ergänzt durch eine Spitzenlastabdeckung mittels Fernwärme und Kältemaschine. Das Gebäude wird von 18 Erdsonden von jeweils 80 Metern Länge kombiniert mit einer Wärmepumpe versorgt. Die Temperierung des Gebäudes findet primär über die Betonkernaktivierung in den Decken statt, wobei Niedertemperatur-Heizlösungen mit einer Feinregulierung eingesetzt werden. Öffenbare Fensterelemente sowie Lüftungsanlagen und Kühldecken in speziellen Bereichen wie den Besprechungsräumen sorgen für ein ausgewogenes Raumklima.
Die PV-Anlage des Gebäudes weist eine Leistung von 86 kWp auf. Das monokristalline Doppelglasmodul SI Enduro dient dabei als Pergola und die polykristallinen JA Solar Module werden zur bodenstehenden Installation genutzt. Mit einem jährlichen Stromertrag von etwa 80.000 kWh deckt die Anlage den Energieverbrauch des Gebäudes ab. Die Elektromobilität wird dabei ebenfalls berücksichtigt: Insgesamt stehen aktuell 39 Ladepunkte für E-Autos sowie 15 E-Bike-Ladestationen zur Verfügung, den dem Bedarf angepasst werden können.
Das Wassermanagement des Gebäudes umfasst vier unterirdische Zisternen von jeweils 12.500 Litern Fassungsvermögen, in denen Regenwasser für die Bewässerung der Grünflächen und für die WC-Spülungen gesammelt wird.
Lessons learned
Die nachhaltigen Technologien sowie die Auswahl der Materialien und Bauteile nach sowohl fachlichen als auch gesundheitlichen und ökologischen Kriterien war eine der zentralen Herausforderungen. Hierbei spielte die Kreislauffähigkeit, gemäß dem Cradle-to-Cradle-Prinzip, die entscheidende Rolle. Die Idee war es nicht nur, ein Gebäude zu erschaffen, das hohen Nutzerkomfort bietet und Nachhaltigkeitsaspekten gerecht wird, sondern auch ein Gebäude, das langfristig als Ressourcendepot dient. Dieser Ansatz rückt die Wiederverwendbarkeit und Wiedereinführung von Baustoffen in den Lebenszyklus in den Mittelpunkt und unterstreicht die Notwendigkeit eines umsichtigen Umgangs mit Ressourcen in der Baubranche. Die Erkenntnisse aus dem Projekt: Selbst an historisch signifikanten Orten sind innovative, nachhaltige Lösungen realisierbar, die nicht nur die Umgebung berücksichtigen, sondern auch die zukünftigen Herausforderungen des Bauens.