Projekt
Engagierte Bürgerinnen und Bürger in Hürup haben bereits 2012 einen Klimaschutzverein („Boben op Klima- und Energiewende e.V.“) gegründet, der viele unterschiedliche nachhaltige Quartiersprojekte vorangetrieben hat. Aus dem Verein ist 2016 eine Genossenschaft entstanden, die sich für eine nachhaltige Wärmeversorgung einsetzt („Boben Op Nahwärme eG“). In den Ortsteilen Maasbüll, Hürup und Weseby baut die Genossenschaft ein Wärmenetz. Auch im Nachbardorf Husby entsteht ein Wärmenetz mit dem mittelfristigen Ziel einer gemeinsamen, überwiegend solarthermischen Versorgung beider Netze.
Die 149 Gebäude, die schon an das Netz angeschlossen sind, werden noch über einen Biomassekessel und Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) mit Wärme versorgt. Biomasse steht v.a. durch das reichlich anfallende Knickholz aus der Flurpflege der Windbrecher-Hecken zur Verfügung.
Das Ziel ist es jedoch, den Anteil von Verbrennungswärme zu reduzieren. Die Wärmeversorgung soll in Zukunft mittels Solarthermie, einem saisonalen Erdwärmespeicher, Großwärmepumpe und Biomassekessel komplett fossilfrei sein. Dann werden ausschließlich regional verfügbare, erneuerbare Energieträger genutzt.
Durch genossenschaftliches Handeln soll die Energieversorgung in die Hände der Nutzenden gelegt und langfristig so preiswert wie möglich gestaltet werden. Wärmegenossenschaften sind eine Form der Bürgerbeteiligung, die Mitgliedern die Möglichkeit geben, sich an der Wärmewende in der eigenen Kommune aktiv zu beteiligen.
Wer sich an das Netz anschließen will, muss in die Genossenschaft eintreten. Bisher haben diese Möglichkeit über 250 Bürgerinnen und Bürger wahrgenommen. Die Genossenschaft rechnet mittelfristig mit 1.200 Anschlussnehmenden.
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- Quartier
Bautafel:
GESAMTKONZEPT
Gemeinschaftliche Wärmeversorgung in den Gemeinden Hürup, Maasbüll und Husby. Die Verlegung des Wärmenetzes und der Aufbau der Erzeugungsanlagen ist in Bauabschnitte aufgeteilt, die nach und nach in Betrieb gehen können und skalierbar sind. Auch ohne Umsetzung des Gesamtkonzepts funktionieren die Teilabschnitte für sich.
Alle Erzeugungsanlagen und Speicher sind auf einer zentral gelegenen Konversionsfläche zwischen den drei Gemeinden angeordnet.
VERWENDETE / GEPLANTE TECHNIK
Wärmenetz
Pelletkessel 250 kW
Biomassekessel 600kW – Hackschnitzel aus Flurpflege der Windbrecher-Hecken
bestehende BHKWs + Gasbrennwertkessel für Spitzenlasten / Redundanz
Photovoltaik zur Bereitstellung des Betriebsstroms
Solarthermie-Flächenanlage in Planung – geplant als Hauptwärmequelle
Erdwärmespeicher mit Wärmesonden in Planung – als saisonaler Speicher mit Aufladung im Sommer, Entladung im Winter
Pufferspeicher
Großwärmepumpe in Planung, um aus dem Saisonalspeicher entnommene Wärme auf die erforderliche Vorlauftemperatur im Netz zu erhitzen
BAUZEIT
2016 bis voraussichtlich 2028
Das Wärmenetz hat derzeit eine Länge von 7,7 km, weitere knapp 12 km sind in Planung inkl. Transportleitungen von der Energiezentrale zu den Ortsteilen
PROJEKTKOSTEN
bisher 3,65 Mio. Euro Investition, gefördert durch KWKG, LPW (Schleswig-Holstein & EU EFRE), in Planung weitere ca. 20 Mio. € bis zur Umsetzung des Gesamtkonzepts.
Herausforderungen
Der Aufbau eines Wärmenetzes ist in vielerlei Hinsicht abhängig von Dritten und ihren Interessen, insbesondere bei der Finanzierung, bei Flächennutzungsfragen und den Anschlussnehmenden. Die Wärmeversorgung wird nur nachhaltig sein, wenn sich der Betrieb wirtschaftlich darstellen lässt und Versorgungssicherheit für die Anschlussnehmenden gegeben ist.
Um die Wärmegestehungskosten möglichst gering zu halten, ist es wichtig, dass genügend Anwohnerinnen und Anwohner vom Konzept überzeugt sind und ihre Wärme in Zukunft über das Wärmenetz beziehen wollen.
Die Gemeinde ist selbst Genossin und schließt die anliegenden öffentlichen Liegenschaften als Ankerkunden an die Nahwärme an. Sie hat zu Beginn signalisiert, dass auch einzelne Anschlusswillige bedient werden sollen. Im ersten Netzabschnitt wurde dann tatsächlich zunächst nur ein einziger Haushalt angeschlossen. Das ist erstmal sehr unwirtschaftlich, macht es anderen Anwohnenden aber leichter, sich über die neue Wärmeversorgung zu informieren und sich zu einem später Zeitpunkt anzuschließen.
Die Unterquerung einer Bahntrasse zur Verbindung von zwei Teilnetzen war eine Herausforderung, da die Flächen nicht der Gemeinde gehören. Nach langen Verhandlungen gibt es nun einen Durchleitungsvertrag mit der Deutschen Bahn, der theoretisch alle sechs Monate gekündigt werden kann. Der Vertrag ist einerseits ein Erfolg, da die Arbeiten fortgesetzt werden konnten, andererseits bedeutet das Kündigungsrecht ein hohes Risiko. Um im Fall einer Kündigung die Wärmeversorgung aufrecht zu erhalten, wird in dem betroffenen Teilgebiet zusätzlich ein Kessel angeschlossen.
Ziele & Erfolge
Die Hüruper engagieren sich seit vielen Jahren für Klimaschutz, führten zahlreiche Maßnahmen eigeninitiativ durch und organisieren bereits die Wasserversorgung genossenschaftlich. So nun auch die Wärmeversorgung. Die Genossenschaft ist gleichzeitig Investorin, Wärmeversorgerin und Nutzende. In der Mehrfachrolle achtet sie sowohl auf möglichst geringe Investitionskosten als auch auf geringe Betriebs- und Verbrauchskosten. Die genossenschaftliche Wärmeversorgung ist nicht gewinnorientiert, d.h. die geringere Renditeerwartung im Vergleich zu den meisten kommerziellen Wärmeversorgern macht sich in der Preisgestaltung für die Verbrauchenden bemerkbar.
Huckepack-Maßnahmen bzw. Synergien werden gesucht und wahrgenommen, um Kosten zu sparen. Beispielsweise wurden als erstes in dem Straßenzug die Leitungen verlegt, der ohnehin wegen Kanalarbeiten aufgerissen werden musste.
Die ideal gelegene Konversionsfläche zwischen der Gemeinde Husby und den Ortsteilen Hürup und Maasbüll wird als Energiepark und Zentrale für die Wärmeversorgung der drei Dörfer entwickelt. Den Betriebsstrom liefert die PV-Anlage auf dem Gelände.
Eine Solarthermieanlage und ein verbundener saisonaler Erdwärmespeicher sollen das Herzstück der Versorgung bilden. Eine Großwärmepumpe soll die aus dem Speicher entnommene Wärme auf die benötigte Vorlauftemperatur heben. Durch die hohe vorhandene Grundtemperatur wird die Wärmepumpe äußerst effizient arbeiten können.
Da sich die drei Gemeinden für die Wärmeversorgung zusammenschließen, verringern sich die Investitionen in die Anlagentechnik und die Nutzung der verfügbaren Flächen für die Erzeugungsanlagen ist effizienter.
Von der Energiezentrale wird eine Wärmetrasse nach Husby und eine weitere nach Weseby führen, wodurch auch die Ortsteile Hürup und Maasbüll angeschlossen werden sollen.
Das Gesamtkonzept ist so aufgebaut, dass die einzelnen Teilabschnitte auch individuell funktionieren und bei höherem Bedarf weitere Anlagen zur Gewinnung erneuerbarer Wärme dazukommen können.
Lessons learned
Viele Faktoren sind für eine erfolgreiche Umsetzung eines solchen Projektes ausschlaggebend. Dabei kommt es nicht nur auf passende technische Lösungen und eine solide Finanzierung an, sondern auch auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit unterschiedlicher Akteure und die passenden Argumente, um möglichst viele Haushalte für einen Netzanschluss zu aktivieren.
Die regelmäßigen Sprechstunden des Sanierungsmanagements, Gemeindeversammlungen, Informationsveranstaltungen und ein schon lange existierender Energiewendestammtisch („Ideenschmiede“) sind wichtig für die Menschen in Hürup und werden gut angenommen. Solche Präsenzformate sind persönlich, vertrauensbildend, etwaige Missverständnisse können meist direkt geklärt werden, sie binden aber auch erhebliche zeitliche und personelle Ressourcen.
Schlüsselargumente für die Unterstützung der Wärmegenossenschaft sind lokale Wertschöpfung und Unabhängigkeit von internationalen Energiemärkten, ebenso wie eine dadurch besser abschätzbare Preisstabilität.
Wichtig im Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern ist auch, klar und nachvollziehbar erklären zu können, wie sich Preise für verschiedene Versorgungslösungen zusammensetzen, auch die Vollkostenpreise bei einer herkömmlichen, dezentralen Versorgung mit Gas oder Öl.
Darüber hinaus wird die Möglichkeit, sich an ein genossenschaftlich betriebenes, nachhaltiges Wärmenetz anschließen zu können und damit auch die Anforderungen des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) erfüllt zu haben, von vielen Gebäudeeigentümerinnen und -eigentümern als attraktive Lösung gesehen.