Projekt
Seit 2016 wird das frühere Industriegelände im Münchener Stadtbezirk Berg am Laim in verschiedenen Bauphasen zum neuen Stadtquartier „Werksvierte-Mitte“ umgebaut. Aus den alten Werken der Firma Pfanni sind so bereits diverse Gewerbe-Betriebe, Büros, Clubs, Bars und Restaurants sowie Einrichtungen für Kunst, Kultur und Bildung entstanden. Hinzu kommen in den nächsten Jahren bis zu 600 Wohnungen. Leitmotiv der Transformation ist ein urenkeltaugliches Quartier, das heute und morgen Lebensfreude vermittelt und in dem Nachhaltigkeit in allen Bereichen gelebt wird. Dazu gehört auch, dass die eigenständige dezentrale Energie- und Wärmeversorgung des Viertels – orchestriert vom quartierseigenen Energieversorger werkkraft – hohen Umwelt-, Effizienz- und Redundanzanforderungen gerecht wird.
- Quartier
- Smart / Digital
- Wärmepumpe
Bautafel:
BAUVOLUMEN
39 Hektar großes Gelände
BAUZEIT
Seit 2016
VERWENDETE GEBÄUDETECHNIK
2 Blockheizkraftwerke (BHKW) zur dezentralen Strom- und Wärmeversorgung
Wärmerückgewinnungssysteme aus Abwasser (derzeit in Planung)
Photovoltaikanlagen
2 Absorptionskältemaschinen
2 Hochtemperatur-Wärmepumpen
1 Grundwasser-Wärmepumpe
1 Power-to-Heat-Anlage
1 Gaskessel
3 Hybride Verdunstungskühlanlagen/Rückkühlwerke (Funktion: Rückkühlung Kälteerzeugung und freie Kühlung)
Intelligente Gebäudeautomation zur Steuerung von Energieverbrauch und -erzeugung
Elektro-Mobilitätsladesäulen
Thermisch isolierte Warmwasserspeicher
Batteriespeicher (auf Mittelspannungsebene)
VERWENDETES MATERIAL
Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft
Recycling-Baustoffe (z. B. Ziegel, Aluminium)
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Herausforderungen
Im Werksviertel-Mitte wurde eine anspruchsvolle Energieversorgung für Wärme, Strom und Kälte umgesetzt, die ein breites Spektrum an verschieden Erzeugungstechnologien nutzt. Die Herausforderung lag in der effizienten Erfassung und Verteilung der Energie aus verschiedenen Quellen, sowie der Integration eines flexiblen Systems zur Deckung des variierenden Bedarfs in einem gemischt genutzten Areal.
Auch bei der Entwicklung des Werksviertel-Mitte galt es zahlreiche Aspekte miteinander zu vereinbaren: Die Revitalisierung eines ehemaligen Industriegebiets erforderte den Erhalt der historischen Bausubstanz bei gleichzeitiger Integration moderner Infrastrukturen. Zudem sollte das Quartier Wohnen, Arbeit, Kultur und Freizeit verbinden und grünen Flächen zur Verbesserung der Lebensqualität und Luftqualität schaffen, während öffentliche und private Räume miteinander verzahnt wurden. Diese komplexen Anforderungen erforderten enge Zusammenarbeit zwischen Stadtplanenden, Architektinnen bzw. Architekten und der Gemeinde.
Ziele & Erfolge
Energieerzeugung:
Eines der zentralen Aspekte zur Reduktion von CO₂-Emissionen im Werksviertel-Mitte liegt in der Kopplung diverser Energieerzeugungsanlagen und Sektoren: Zwei Blockheizkraftwerke (BHKW) dienen als „Herzstück“ für die Wärme- und Stromerzeugung im Werksviertel. Die durch den Betrieb der BHKW entstehende Abwärme wird wiederum zur Erzeugung von Kälte, mittels Absorptionskältemaschinen (AKM) genutzt. Auch die beiden AKM erzeugen Abwärme, welche nicht ungenutzt in die Umwelt ausgestoßen wird. Stattdessen wird diese zu zwei Hochtemperatur-Wärmepumpen geleitet, welche erneut Wärme daraus erzeugt und mit etwa 80 bis 85° C in das Wärmeverteilnetz einspeist. Diese speziellen Hochtemperatur-Wärmepumpen tragen zur Deckung der Spitzenlastwärme des Viertels bei. Einen weiteren Teil des Wärmebedarfs liefern dezentrale Wärmepumpen. Im Gegensatz zu den HT-Wärmepumpen dient hier das Grundwasser als Wärmequelle. Zur Deckung der Spitzenlast dient darüber hinaus eine Power-to-Heat-Anlage (PtH-Anlage), welche überschüssige elektrische Energie nutzt, und daraus thermische Energie erzeugt. Alle Wärmepumpen speisen die erzeugte Wärme in ein Wärmeverteilnetz ein, das die Wärme optimal innerhalb des Quartiers verteilt. Während der warmen Sommermonate ist es auch möglich, die Funktionsweise der Wärmepumpen umzukehren, um die angeschlossenen Gebäude zu kühlen. Photovoltaik-Anlagen (mit einer Leistung von insgesamt ca. 800 kWp) auf den Dächern einzelner Werke im Werksviertel-Mitte sowie auf den ehemaligen Kartoffellagerhallen von Pfanni tragen neben den beiden BHKW zur Erzeugung elektrischer Energie bei.
Mit Hilfe von drei hybriden Rückkühlwerken wird bei kalten Außentemperaturen (von unter 1°C) klimafreundliche Umweltkälte genutzt. Die hybriden Trockenkühler, bei denen der Wärmeaustausch im Lamellenwärmetauscher mit angesaugter Außenluft abläuft, speisen die Kälte der Außenluft dann direkt in das Kaltwassernetz ein. Durch die kombinierte Nutzung von Abwärme und Umweltwärme/-kälte lassen sich erhebliche Wirkungs- und Effizienzsteigerung erzielen, die eine Reduzierung der gebäudebezogenen CO2-Emissionen bewirken.Die Anlagen decken (nahezu) vollständig den elektrischen und thermischen (Wärme und Kälte) Energiebedarf der unterschiedlichen Verbraucher im Werksviertel Mitte sowie in Teilen auch deren Nachbarschaft ab. Der verbleibende Strombedarf wird durch das öffentliche Netz bereitgestellt bzw. Überschüsse in das öffentliche Netz eingespeist.
Energiespeicherung:
Thermisch isolierter Warmwasserspeicher bzw. Pufferspeicher: Erzeuger- und Nutzerseite sind voneinander technisch und zeitlich getrennt und können – wann immer nötig – gekoppelt werden. Ein großer Vorteil dabei ist, dass die wärmeproduzierenden BHKW nicht gedrosselt werden müssen und stattdessen bei Volllast arbeiten können. Dadurch wird häufiges Ein- und Abschalten vermieden, sodass die Anlagen insgesamt schonender betrieben werden können. Dies reduziert den Verschleiß und erhöht in weiterer Folge die Lebensdauer der BHKW.
Batteriespeicher mit zwei wichtigen Funktionen: Zum einen kann damit eine Deckung der Spitzenlast erfolgen. Zum anderen wird dieser für den Zweck von „Clean Voltage“, also zum Ausgleich von Spannungsschwankungen aus dem Stromnetz verwendet. Dies ist für einen anliegenden Industriebetrieb von großer Bedeutung und verhindert somit potentiell entstehende Schäden in deren Produktion.
Der Energiekanal als „Hauptschlagader“ stellt die essenzielle Grundlage für die effiziente Verteilung der erzeugten Energie. Der unterirdische, begehbare Kanal stammt noch aus der ehemaligen industriellen Nutzung des Areals und verläuft einmal quer durch das gesamte Werksviertel-Mitte.
Ehemals diente dieser zur Verteilung des erzeugten Prozess- und Heizdampfes sowie von elektrischer Energie, welche in die Produktionshallen, Silos und sonstigen Gebäude verteilt wurde.
Lessons learned
Das Werksviertel-Mitte in München verfolgt ein umfassendes Konzept zur Verringerung von CO₂-Emissionen. In der Energieversorgung werden Erd- und Abwärme miteinander kombiniert und durch Wärmespeicher ergänzt. Diese innovative Technik stellt eine ressourcenschonende und zuverlässige Wärmequelle bereit, während gleichzeitig der CO₂-Ausstoß signifikant verringert wird.
Die Begrünung spielt ebenfalls eine Rolle im Werksviertel-Mitte. So befindet sich auf dem Gebäude „WERK3“ eine Dachbegrünung inklusive einer bewirtschafteten Dach-Alm mit Schafen und Bienen. Solche bepflanzten Dachflächen und begrünten Innenhöfe, reduzieren urbane Hitzeinseln, verbessern die Luftqualität und wirken sich positiv auf die Biodiversität aus. An weiteren Gebäuden wurden grüne Fassaden installiert, die als natürliche Wärmeregulatoren wirken und zur optischen Aufwertung des Quartiers beitragen.