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Miscanthus – schnell wachsendes Multitalent

Stand: Juni 2022
Foto, in Metallbehältnissen gelagerter Miscanthus

Der Bedarf an erneuerbaren Rohstoffen ist groß, doch ihr Gedeihen braucht Zeit. Mit Miscanthus bietet sich der Bauindustrie eine nachhaltige Alternative: Der robuste Chinaschilf ist schnellwüchsig, ergiebig, vollständig recycelbar und speichert CO2 effektiv.

Auf Dauer ertragreich und CO₂-bindend

Chinaschilf gehört zu den mehrjährigen Süßgräsern und stammt ursprünglich aus Japan. Als Miscanthus giganteus 1935 in Dänemark eingeführt und später in Europa, ist Elefantengras bis heute eine beliebte Pflanze in Gartenanlagen. Seit Mitte der 80er Jahre wird Miscanthus als Biomasse verwertet und zu Festbrennstoff, Mulchmaterial, Tiereinstreu oder Papier verarbeitet.

Miscanthus ist eine ergiebige, robuste und klimafreundliche Pflanze, die an hohe Temperaturen angepasst ist. Ähnlich wie Mais verfügt sie über einen effizienten CO2-Stoffwechsel und wird darum als C4-Pflanze kategorisiert. Unter optimalen Bedingungen wächst Chinaschilf acht Zentimeter pro Tag bis zu einer Höhe von vier Metern. Als Dauerkultur liefert die Pflanze ab dem dritten Standjahr für 20-25 Jahre lang gleichbleibende Erträge. Die Ausbeute ist beachtlich: Ein Hektar ergibt 15 bis 25 Tonnen Trockenmasse und spart bis zu 30 Tonnen Kohlendioxid ein. Das ist das CO2-Äquivalent von 8.000 Litern Heizöl. Ein weiterer Vorteil ist, dass Miscanthus sich nicht unkontrolliert vermehrt, sondern durch Sprossung fortpflanzt.

Interview mit Dr. Ralf Pude und Dr.-Ing. Mathias Wirths

Miscanthus: nachhaltiger Rohstoff mit Potenzial für die Baubranche

Ein Interview mit Prof. Dr. Ralf Pude und Prof. Dr.-Ing. Architekt Mathias Wirths über die vielfältigen Einsatzbereiche des Multitalents Chinaschilf bzw. Miscanthus in der Baubranche.

zum Interview
Feld mit Miscanthus-Pflanzen (Chinaschilf) in Sachsen
Ernte von Miscanthus-Pflanzen (Chinaschilf)

Dämmwunder durch Luftporen

Bauelement mit Miscanthus (Chinaschilf)

Miscanthus überzeugt auch als biologischer Baustoff. Das liegt nicht nur am Turbo-Wachstum und der großen Verfügbarkeit, sondern an seiner Porosität. Die Poren des Pflanzengewebes enthalten Luft – ideale Voraussetzung zum Dämmen. Dafür müssen die Schilfhäcksel zuerst mit einem wasserabweisenden Bindemittel vermischt werden. Es verhindert, dass sich die Poren mit Wasser vollsaugen und ihre wärmedämmende Wirkung verlieren. Die gut haftende Masse lässt sich als Spritzputz aufbringen, der Anteil der Häcksel liegt bei 20 Prozent. Bereits eine nur zwei Zentimeter dicke Schicht soll hervorragende Dämmwerte erzielen. Agrarwissenschaftler an der Universität Bonn unter Leitung von Prof. Dr. Ralf Pude forschen und arbeiten bereits seit Jahren an diesem Verfahren.

Merkmale von Miscanthus

Chinaschilf im praktischen Einsatz

Miscanthus eignet sich als Zuschlagstoff von Lehmziegeln, Leichtbeton, Putz, Estrich sowie als Dach- und Schüttdämmung, Ersatz von Reet-Dachdeckungen und zur Verfüllung von Fenster- und Türrahmen. Aber auch großformatige Bauteile sind bereits möglich, in der Schweiz hat man gute Erfahrungen gemacht. Darauf spezialisierte Unternehmen bauen ganze Häuser mit Miscanthus.

Fassade im Rohbauzustand, bei der Miscanthus (Chinaschilf) als Baustoff zum Einsatz kam.
Verschiedene Bauelemente, zu deren Herstellung Miscanthus (Chinaschilf) verwendet wurde.

Vorgefertigte Elemente als Holzfachwerk-Konstruktion werden mit einem Gemisch aus 90 Prozent Miscanthus und 10 Prozent Zement verfüllt. Nach 24 Stunden werden die Bauteile in die vertikale Position gehoben und trocknen weitere 20 Tage ohne Brennvorgang. Wird Miscanthus zum Beispiel mit Kalk vermischt, lassen sich daraus solide Mauerblöcke herstellen, die verformungs-, rissfest und schwer entflammbar sind. Zudem kommen in der Schweiz Schallschutzwände aus Miscanthus zum Einsatz, etwa an Gleisen, stark befahrenen Straßen und Autobahnen.

Holzrahmen eines Fassadenelements, in weches ein Gemisch aus Miscanthus (Chinaschilf) und Zement verfüllt wurde.
Anlieferung vorgefertigter Fassadenelemente aus einer Miscanthus-Zement-Mischung auf der Baustelle.

Miscanthusbündel tragfähig verleimen

Schilfhalme gebündelt zu Fachwerkträgern zu verarbeiten, ist bislang nicht möglich. Die Oberfläche der Stängel enthält Wachs, deshalb lassen sie sich mit natürlichem Leim nicht tragfähig fixieren. Die Lösung besteht darin, die Textur vorher zu bearbeiten. Die Alanus Hochschule in Alfter, Nordrhein-Westfalen hat dafür einen Prototyp entwickelt: den Miscanthus-Biber A3. Dieser schält das Schilf und raut die Stängel gleichzeitig mechanisch auf. Die Maschine kann verschiedene Schleifmittel aufnehmen und die Umdrehungen der Achsen pro Minute stufenlos regeln. Versuche zeigten, dass die aufgerauten Proben eine wesentlich gesteigerte Zugfestigkeit aufweisen als unbehandelte. Somit sollte es möglich sein, Fachwerkträger herzustellen sowie auch holzwerkstoffähnliche Platten, die ästhetischen Anforderungen genügen.

Perspektive: Mehr als nur Dämmung

Bauteile aus nachwachsenden Rohstoffen wie Zellulose, Seegras, Flachs und Miscanthus mussten bislang langwierige baustoffliche Zulassungsverfahren durchlaufen. Seit September 2020 gilt der Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen (NaWaRo) als sicher, kalkulierbar und nachhaltig. Das ist das Ergebnis eines interdisziplinären Forschungsprojekts unter Leitung des Fraunhofer-Instituts für Holzforschung, Wilhelm-Klauditz-Institut WKI. Normen und baurechtliche Vorschriften können nun angepasst werden, was den Weg freigemacht hat für noch mehr biologische Baustoffe.

Showcase Superschilf: Workbox

Als kleines Haus mit großer Wirkung bezeichnet der Fachbereich Architektur der Alanus Hochschule ihre Workbox. Sie ist Ergebnis einer Bachelorthesis mit der Aufgabe, einen Demonstrator aus nachwachsenden Rohstoffen zu bauen. Dabei liegt der Schwerpunkt auf dem Edelholzbaum Paulownia und auf Miscanthus. Die Bachelorthesis der Hochschule ist ein Bestandteil des Forschungsprojektes vom Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) „Kompetenzschwerpunkt Biobasierte Produkte”. Der Demonstrator steht im Unternehmerpark Kottenforst in Meckenheim und soll zeigen, wie die beiden nachwachsenden Rohstoffe zukunftsfähig eingesetzt werden können.

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