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Pilze als organischer Baustoff

Stand: November 2021
Foto, Detailaufnahme der Gewebestruktur eines Pilzes.

Materialien auf Pilzbasis können helfen, neue und recycelbare, aber vor allem nachhaltige Baustoffe zu entwickeln. Pilze sind in der Lage, organische Stoffe zu zersetzen und bilden so Bio-Komposite, die als Baustoffe eingesetzt werden können. Das Material ist biologisch abbaubar, hat hervorragende physikalische Eigenschaften und ist ein CO2-Speicher.

Nachhaltiges Bauen mit Pilzen

Pilze sind in der Lage, fast alle organischen Stoffe wie Stroh, Sägespäne und weitere zu zersetzen bzw. umzuwandeln. Dabei sind die Hyphen des Pilzes aktiv. Es sind die fadenförmigen Zellen, die in ihrer Gesamtheit Myzel oder Myzelium genannt werden und nicht auf den ersten Blick sichtbar sind. Das Myzel bildet bei der Zersetzung von Zellulose und anderen organischen Materialien ein verdichtetes dreidimensionales Netzwerk und ist in der Lage, aus diesen Materialien eine komplexe und dichte Makrostrukturen und damit eine selbsttragende Struktur zu bilden.

Das Myzel, das meist unsichtbar und großflächig unter der Erde wächst, hat also Eigenschaften, die sich für die Herstellung von nachhaltigen und energieneutralen Baustoffen nutzen lassen. Das dabei entstehende Material ist eine Verbindung mit einem organischen Substrat wie Getreidereste, Holzspäne, Hanfschäben oder anderen landwirtschaftliche Reststoffen. Diese Stoffe dienen dem Pilz als Nahrung und werden im Laufe des Stoffwechselvorgangs komplett von einem feinen Geflecht aus Myzel durchzogen. Es entsteht ein weiches, schwammartiges und rein organisches Komposit, das in eine gewünschte Form gebracht und durch thermische Behandlung stabilisiert bzw. gefestigt werden kann. Mit bestimmten Verfahren ist es also möglich, vordefinierte Makrostrukturen aufzubauen und damit die Struktur des Myzels auf gewünschte Leistungsmerkmale abzustimmen. Eigenschaften wie Porösität, Textur, Festigkeit, Elastizität und Faserorientierung können gesteuert und so ein leichter und stabiler Bio-Verbundwerkstoff „gezüchtet“ werden.

Interview aus dem Newsletter

Mit Pilzen zum klimaneutralen Bauen!

Wir essen Pilze, nutzen sie zur Herstellung von Käse, Bier sowie Brot, stellen mit ihrer Hilfe lebenswichtige Medikamente her – und bauen aus ihnen demnächst unsere Häuser. Ein Gespräch mit der Biotechnologin Prof. Dr.-Ing. Vera Meyer.

zum Interview

Merkmale des organischen Baustoffs

Welche Werkstoffe gibt es?

Foto, Nahaufnahme eines Pilzes, der seitlich an einem Baumstamm wächst.
Pilze an verrottendem Baumstumpf

Die Verwendung von Baustoffen aus Pilzmyzel ist noch im Versuchsstadium und die Auswahl an Produkten für einen serienmäßigen Einsatz in der Bauindustrie ist noch sehr eingeschränkt. Es wird aber intensiv an diesem Werkstoff geforscht und es gibt bereits zahlreiche sehr vielversprechende Pilotprojekte, die erfolgreich umgesetzt wurden. In Zukunft könnte das Biomaterial zur Dämmung oder auch als Ersatz für traditionelles, nichttragendes Mauerwerk eingesetzt werden. Gleichzeitig wird geforscht, tragende Elemente und konstruktive und verbindende Bauteile aus Pilzmaterial herzustellen.

Das Potenzial des Pilzwerkstoffs wird vor allem für Dämmmaterial in Form von Blöcken oder Platten gesehen, oder auch MDF-ähnliche Platten für den Innenausbau oder für Bio-Recyclate in Verbindung mit organischen Bauabfällen. Es wird an Baustoffen für den 3D-Druck sowie an der Herstellung organischer Farben und Pigmenten geforscht. Insgesamt zeigen die Entwicklungen, dass die Industrie eine "Cradle-to-Cradle"-Haltung beim Bauen schaffen und fördern möchte. Im Sinne der Kreislaufwirtschaft ist man bestrebt, den Energiegehalt der Produkte zu reduzieren und gleichzeitig so wenig Nettoabfall wie möglich am Ende ihrer Lebensdauer zu produzieren.

Vorteile als Baumaterial

Foto, Nahaufnahme, eine Person füllt mit einer kleinen Schaufel organisches Substrat aus einer Plastikschüssel in ein Glas um. Dies dient der Vorbereitung, um in dem Glas später ein Pilz-Myzel kultivieren zu können.
Vorbereitung des Myzels auf organischem Substrat

Pilze verarbeiten lose organische Materialien und führen sie der Umwelt wieder zu. Stoppt man an einer bestimmten Stelle diesen Zersetzungsvorgang, erhält man jeweils einen Stoff mit äußerst unterschiedlichen Eigenschaften. Auf diese Weise können gezielt Stoffe hergestellt werden, die die benötigten Eigenschaften wie hohe Dämmwerte, eine bestimmte Festigkeit, Luftdurchlässigkeit und Elastizität aufweisen. Sie werden also mit ihren physikalischen und mechanischen Eigenschaften auf den spezifischen Einsatz zugeschnitten. 

Pilzmyzel hat zusätzlich die Fähigkeit, mineralische Materialien miteinander zu verbinden. Insofern ist es möglich, mit Pilzen ganze Bauteile zu verbinden, da die Fäden in kleinste Poren vordringen. Das wirkt wie organischer Mörtel. Ihr Potenzial als Alternative zu herkömmlichen Bau- und Dämmstoffen wird aktuell erforscht sowie die Entwicklung von Prototypen vorangetrieben.

Ökologische Vorteile

Pilzmyzel in Kombination mit unterschiedlichen organischen Materialien ist ein teilweise sehr schnell nachwachsender Rohstoff, bindet Kohlenstoff und ist weltweit verfügbar. Ein weiterer Vorteil liegt auch in der sinnvollen Nutzung von Bioabfällen aus der Lebensmittelproduktion oder Abfällen aus der Agrarwirtschaft. Insofern können Pilzbaustoffe überall in lokaler Herstellung und mit kurzen Wegen sehr energiearm produziert werden. Ihre Eigenschaften ermöglichen einen wichtigen Schritt in Richtung kreislauffähiges und klimapositives Bauen und damit hin zum klimaneutralen Gebäudebestands.

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