Vorgehängte hinterlüftete Fassade (VHF)
Stand: August 2024Eine Möglichkeit zur Dämmung einer Fassade besteht darin, sie mit einer vorgehängten hinterlüfteten Fassade (VHF) zu verkleiden. Dabei handelt es sich um eine über die Dämmung gesetzte Unterkonstruktion mit Vorsatzschale und Hinterlüftungsraum, die direkt an der tragenden Wand angebracht wird.
Die Wärmedämmung von Fassaden hat zahlreiche Vorzüge: Sie sorgt für höhere Innenwandtemperaturen und verbessert so das Raumklima, sie reduziert das Risiko von Schimmelbildung, trägt durch die Senkung des benötigten Wärmebedarfs zum Klimaschutz bei, mindert die Energiekosten und steigert den Immobilienwert.
Die Gesamtfassadenfläche in Deutschland wird laut Angaben der Fachverbände auf 5.170 Millionen m2 geschätzt, wobei vorgehängte hinterlüftete Fassaden (VHF) einen Anteil von 4,8 Prozent ausmachen. Das entspricht 247 Millionen m2 (Quelle: BBSR).
Historie der VHF
Der Ursprung der VHF liegt im historischen Fassadenbau mit Holzschindeln. Im Laufe des 20. Jahrhundert hat sich das hinterlüftete Fassaden-Konstruktionsprinzip als physikalisch vorteilhaftes System etabliert. Eine vorgehängte hinterlüftete Fassade (VHF) ist nicht mit einer Vorhangfassade zu verwechseln, da diese nicht zwingend hinterlüftet ist.
Aufbau
Die Systembestandteile der vorgehängte hinterlüftete Fassaden (VHF) und allgemeine Anforderungen sind in der DIN 18516-1: 2010-06 „Außenwandbekleidung, hinterlüftet, Teil 1: Anforderungen, Prüfgrundsätze" beschrieben.
Die Fassade besteht von innen nach außen aus einer Tragstruktur, Dämmmaterial, einer Luftschicht und einer äußeren Verkleidung. Eine genauere Aufschlüsselung der Teilbereiche sieht wie folgt aus:
- Verankerungsgrund/tragende Wand
- Dämmung
- Unterkonstruktion
- Belüftete Ebene/Hinterlüftung
- Bekleidungselement/Außenschale
Die Befestigung einer VHF kann durch Verankerungs-, Verbindungs- und Befestigungselemente erfolgen. Die Unterkonstruktionen werden in der Regel aus metallischen oder aus Kunststoff gefertigten Tragprofilen hergestellt. Alternativ dazu sind hölzerne Traglatten oder Schalungen mit oder ohne Konterlatten möglich.
Grundsätzlich sind alle Dämmstoffe, die die Anforderungen nach DIN 4108-10 Typ WAB erfüllen, für eine VHF zugelassen. Darunter zählen beispielsweise:
- Mineralwolle (Stein- und Glaswolle)
- Schaumglas
- Hartschaumplatten
- Holzfaser
Der Belüftungszwischenraum zwischen Bekleidung und Dämmung ist mit mindestens 2 cm auszuführen. Bei der Fassadenbekleidung kommen verschiedenste Materialien zum Einsatz wie unter anderem Metallbleche, Faserzementplatten, Kunststoffe, HPL-Platten, Natursteinplatten, Ziegel, Holzwerkstoffe oder anderweitige Verbundmaterialien.
Eigenschaften
Vorgehängte hinterlüftete Fassaden haben Charakteristika, die einerseits von Vorteil aber andererseits auch nachteilig sein können:
Positive Eigenschaften
- bauphysikalisch vorteilhafte Eigenschaften (beispielsweise Feuchte- und sommerlicher Wärmeschutz)
- große gestalterische Vielfalt
- sortenreiner Rückbau und Recycling einfach realisierbar
Nachteilige Eigenschaften
- hohe Investitionskosten bei der Errichtung
- hoher zeitlicher Aufwand bei der Errichtung
- Möglichkeit von Insekten und Tieren im Luftzwischenraum
Es gibt eventuell erforderliche Folgemaßnahmen, die bei der Sanierung mit einer vorgehängten interlüfteten Fassade anfallen können und planerisch zu bedenken sind:
- Dachüberstand vergrößern
- Anpassung der Regenrinne und der Fallrohre
- Fensterbänke außen anbringen
- Lampen und Elektroanschlüsse verlängern, evtl. ist eine Spezialbefestigungen nötig
Obwohl vorgehängte hinterlüftete Fassaden weniger anfällig für Feuchtigkeitsschäden sind, erfordern sie dennoch regelmäßige Wartung, um sicherzustellen, dass die Hinterlüftung funktioniert und keine Schäden auftreten. Darüber hinaus gilt zu beachten, dass vorgehängte hinterlüftete Fassaden zusätzlichen Platz um das Gebäude herum benötigen, was nicht immer zu realisieren ist. Auch die konstruktiv notwendigen Befestigungspunkte bilden zwangsläufig Wärmebrücken aus. Diese können durch thermisch getrennte Profile oder dickere Dämmlagen wesentlich reduziert werden.
Anwendungsbereiche und Zulassung
Anwendung finden VHF im Neubau oder in der Sanierung von Bestandsfassaden. Die möglichen Einsatzgebiete sind dabei vielseitig Gängige Beispiele sind:
- Einsatz auf verputzter Bestandswand ohne Dämmung
- Zusatzdämmung und hinterlüftete Fassade auf bestehende verputzte Außenwärmedämmung (VAWD)
- VHF auf zweischaliges Mauerwerk
Für die Errichtung einer VHF müssen die Anforderungen der jeweiligen Landesbauordnung berücksichtigt werden. Für hinterlüftete Vorhangfassaden ist zudem zwingend ein prüffähiger Standsicherheitsnachweis zu erstellen. Darüber hinaus dürfen nur Bekleidungselemente, Unterkonstruktionen, Verankerungs-, Verbindungs- und Befestigungselemente, Ergänzungsteile, Dämmstoffe und Schrauben bzw. Nieten verwendet werden, die für den jeweiligen Verwendungszweck zugelassen sind. Der Nachweis ist nach Normen, durch eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung oder eine europäische technische Zulassung zu erbringen. Eine gesonderte Regelung besteht für sogenannte „Halbzeuge“ (z.B. Aluminium, Titanzink und Kupfer), deren Brauchbarkeit lediglich rechnerisch nachzuweisen ist, sowie kleinformatige Fassadenplatten, die nach Liste C des DIBt geregelt sind. Die Halterungen zur Befestigung der Dämmstoffe dienen der Lagesicherung und unterliegen keinen bauaufsichtlichen Anforderungen. Dämmstoffe, die nicht mechanisch befestigt werden können, müssen mit einem auf den Dämmstoff abgestimmten Klebstoff angebracht werden.
Wärmeschutz
Die Berechnung des Wärmedurchgangskoeffizienten für opake Bauteile erfolgt nach DIN 4108-4: 2017-03 in Verbindung mit DIN EN ISO 6946:2008-04. Bei der Konstruktion muss die Wärmedämmschicht durchdrungen werden, wodurch punktuelle oder lineare Wärmebrücken entstehen. Diese sind bei der Berechnung des Wärmedurchgangskoeffizienten (U-Wert) zu berücksichtigen. Bei einer Befestigung der VHF ist eine Korrektur des U-Wertes nach Anhang F3 „Korrektur für mechanische Befestigungsmittel“ zu beachten, wenn die Summe der zu bedenkenden Einflüsse auf den U-Wert größer als drei Prozent ist. Die Befestigungselemente werden demnach nicht im Wärmebrückennachweis, sondern bereits bei der Ermittlung des U-Wertes berücksichtigt. Die zulässigen Grenzwerte für den Wärmedurchgangskoeffizienten von sanierten Außenwänden sind den Anlagen des Gebäudeenergiegesetzes zu entnehmen.
Nutzungsphase, Langlebigkeit und Kosten
Die meisten Komponenten einer vorgehängten hinterlüfteten Fassade haben eine berechnete Lebensdauer von 50 Jahren und mehr. In der Praxis werden sie oft deutlich länger genutzt. Laut Angaben des Fachverbandes (FVHF) sind sie häufig für 80 Jahre und mehr im Einsatz. In den Tabellen des BBSR zur Nutzungsdauer von verschiedenen Bauteilen wird die Lebensdauer von verschiedenen Materialien für die Außenschale im Bereich zwischen 30 und größer bzw. gleich 50 Jahren angegeben. Obwohl die anfänglichen Baukosten im Vergleich zu anderen Systemen höher sind, rentieren sie sich über die Nutzungsdauer, da vorgehängte hinterlüftete Fassaden geringere Folgekosten für Reinigung und Instandhaltung verursachen.
Laut Angaben der Verbraucherzentrale für Energieberatung belaufen sich die Kosten für eine vorgehängte hinterlüftete Fassade in Abhängigkeit der verwendeten Fassadenbekleidung auf 90 Euro bis 300 Euro pro m2.
Sanierung von VHF
Vorgehängte hinterlüftete Fassaden gelten als robust und wenig schadensanfällig. Der demnach verhältnismäßig geringe Wartungsbedarf beschränkt sich im Wesentlichen auf die Reinigung der Außenschale. Aufgrund der klaren Trennung der Funktionsebenen und der größtenteils flachen Oberflächen ist diese ebenfalls vergleichsweise einfach. Es gibt Empfehlungen des Fachverbandes vorgehängte hinterlüftete Fassaden (FVHF) für Wartung, Inspektionen und Instandsetzungen der VHF, die in Anlehnung an die DIN 31051 entwickelt wurden. Im Falle einer Beschädigung oder bei anderweitigen Mängeln ist durch den modularen Aufbau ein Austausch einzelner Bekleidungselemente unter geringem Aufwand realisierbar. Beschädigungen an solchen Fassaden können in der Regel durch den Austausch einzelner Elemente behoben werden, ohne dass die gesamte Fassade erneuert werden muss. Alternativ kann die gesamte Außenschale ausgetauscht werden.
Rückbau und Verwertung
Der Vorteil beim Rückbau von vorgehängten hinterlüfteten Fassaden ist deren Baukastenprinzip bzw. ihr modularer Aufbau. Dieser erlaubt eine flexible Wiederverwendung des Systems. Alternativ können nach Ablauf der Nutzungsdauer des Gebäudes die Bauteile der Fassade sortenrein demontiert und in ihre jeweiligen Stoffkreisläufe zurückgeführt werden. Wertstoffe wie Aluminiumschrott, mineralische Dämmplatten oder bestimmte Bekleidungsmaterialien können wiederverwendet, recycelt oder anderweitig verwertet werden.
Weiterführende Informationen
Tool-Tipp
FVHF-Effizienz-Tool
Das Online-Tool ermittelt die erforderliche Dämmstoffdicke und die energetische Effizienzklasse der Unterkonstruktion einer vorgehängten, hinterlüfteten Fassade, in Abhängigkeit des Soll-U-Wertes der Außenwand.