Wärmedämmverbundsystem (WDVS)
Stand: August 2024Die Wärmedämmung einer Fassade sorgt für höhere Innenwandtemperaturen und verbessert so das Raumklima, reduziert das Risiko von Schimmelbildung, trägt durch Senkung des benötigten Wärmebedarfs zum Klimaschutz bei, mindert die Energiekosten und steigert den Immobilienwert.
Eine Möglichkeit zur Dämmung einer Fassade besteht darin, sie mit einem Wärmedämmverbundsystem (WDVS) zu verkleiden. Dabei handelt es sich um einen Verbund aus Dämmstoff, Armierungsgewebe und Putz, der direkt an der tragenden Außenwand angebracht wird.
Die Gesamtfassadenfläche in Deutschland wird laut Angaben der Fachverbände auf 5.170 Millionen m2 geschätzt, wobei Wärmedämmverbundsysteme einen Anteil von 9,5 Prozent ausmachen, was 490 Millionen m2 entspricht (Quelle: BBSR)
Historie des WDVS
Der erstmalige Einsatz eines Wärmedämmverbundsystems erfolgte 1957. Die zunehmende Verbreitung kam in den 1960er Jahren auf. Bei den ersten Varianten handelte es sich um Systeme mit Dämmung aus Polystyrol-Hartschaum. Ende der 1970er Jahre erfolgte die Weiterentwicklung mit Dämmstoffen aus Mineralfaserplatten. Bis in die 1990er Jahre kamen schließlich zahlreiche weitere Varianten unter anderem mit natürlichen Dämmstoffen aus Holzfaser hinzu.
Aufbau
Der heute übliche Schichtaufbau eines WDVS von innen nach außen, inklusive der tragenden Wand, sieht wie folgt aus:
- Mauerwerk bzw. tragende Wand
- Verklebung / Befestigung (Klebemörtel, Klebeschaum)
- Dämmplatte
- Ggf. mechanische Befestigung (je nach System Dübel oder Schienen oder in Kombination)
- Armierungsputz und Armierungsgewebe
- Oberputz / Schlussbeschichtung (Anstrich)
Eigenschaften
Wärmedämmverbundsysteme weisen positive als auch nachteilige Eigenschaften auf:
Positive Eigenschaften
- verhältnismäßig günstige Dämmmaßnahme der Außenwand
- einfache und schnelle Montage durch Experten
- nachträgliche Ertüchtigung durch Aufdopplung
Nachteilige Eigenschaften
- Trennung der Komponenten bei Rückbau
- Pilz-/Algenbewuchs an wetterexponierten Stellen (putzabhängig / keine Auswirkung auf Funktionalität)
- Stoßempfindlichkeit
Es können erforderliche Folgemaßnahmen bei der Sanierung mit einem WDVS-System anfallen, die planerisch zu bedenken sind:
- Dachüberstand vergrößern
- Anpassung der Regenrinne und der Fallrohre
- Fensterbänke außen anbringen
- Lampen und Elektroanschlüsse verlängern, evtl. ist eine Spezialbefestigungen nötig
Durch Wärmebrücken kann Algenbildung an den Befestigungspunkten entstehen, wurden diese nicht fachgerecht ausgeführt. Darüber hinaus kann es zur Algenbildung auf der Fassade kommen, wenn die Oberflächentemperatur nachts durch Abstrahlung von Wärme an den klaren Himmel unter die Lufttemperatur sinkt und es unter Umständen zu Tauwasserausfall an der Fassade kommt (rein optische Mängel). Um die Gefahr der Algenbildung zu verringern, können mineralische Dickputze ggf. in Verbindung mit Dämmstoffen mit hoher Wärmespeicherfähigkeit eingesetzt werden.
Anwendungsbereiche und Zulassung
Bei Wärmedämm-Verbundsystemen handelt es sich um eine im Rahmen nationaler bzw. europäischer Normung nicht geregelte Bauart. Bauaufsichtliche Grundlage für den Einsatz solcher Systeme bilden Verwendbarkeitsnachweise wie eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung / allgemeine Bauartgenehmigungen (abZ/aBG) bzw. eine europäische technische Zulassunge (ETA).
Wenn ein WDVS mit CE-Kennzeichnung gemäß einer ETA verwendet wird, müssen die entsprechenden Planungs-, Bemessungs- und Ausführungsregeln gemäß Anhang 11 der Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB) beachtet werden. Falls Produkte nicht unter den Anwendungsbereich von Anhang 11 der MVV TB fallen, könnte eine allgemeine Bauartgenehmigung für die Bemessung und Ausführung erforderlich sein. Darüber hinaus sind die jeweils geltenden rechtlichen Bestimmung der Landesbauordnung einzuhalten.
Es ist wichtig zu beachten, dass die Systeme nur mit den beschriebenen Komponenten (Kleber / Dübel, Dämmung, Armierungsschicht, Putz) und in den aufgeführten Kombinationen verwendet werden dürfen. Das gilt unabhängig von der Art des Gebäudes oder ob es sich um einen Neubau oder ein Bestandsgebäude handelt.
Im Massivbau können die Systeme problemlos sowohl auf verputzte als auch nicht verputzte Wände aus Beton oder Mauerwerk aufgebracht werden. Für den Holzbau muss der jeweilige Untergrund zugelassen sein. Die Auswahl des Dämmstoffs hat signifikante Auswirkungen auf das Brandverhalten und das Feuchtigkeitsverhalten eines WDVS und spielt eine wichtige Rolle bei der Planung.
Wärmeschutz
Die Berechnung des Wärmedurchgangskoeffizienten (U-Wert) für opake Bauteile erfolgt nach der DIN 4108-4: 2017-03 in Verbindung mit der DIN EN ISO 6946:2008-04. Bei der Befestigung des WDV-Systems mit Dübeln ist unter Umständen eine Korrektur des U-Wertes nach Anhang F3 „Korrektur für mechanische Befestigungsmittel“ zu beachten, wenn die Summe der zu bedenkenden Einflüsse auf den U-Wert größer als drei Prozent ist. Die maximal zulässige Anzahl an Dübeln, die eine Erhöhung des U-Werts ausschließt, kann einer Tabelle aus den allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassungen entnommen werden. Die Befestigungselemente werden demnach nicht im Wärmebrückennachweis, sondern bereits bei der Ermittlung des U-Wertes berücksichtigt. Die zulässigen Grenzwerte für den Wärmedurchgangskoeffizienten von sanierten Außenwänden sind den Anlagen des Gebäudeenergiegesetzes zu entnehmen.
Langlebigkeit und Kosten
Forscher des Fraunhofer Instituts für Bauphysik gehen bei Einhaltung der richtigen erhaltenden Maßnahmen von einer Lebenserwartung von 40 bis 60 Jahren aus. Darüber hinaus sei der Wartungsaufwand und die Wartungshäufigkeit von WDV-Systemen mit der von einfachem verputztem Mauerwerk ohne Dämmung zu vergleichen. Dies gilt auch für die Dauerhaftigkeit insgesamt (Quelle: Fraunhofer IBP). In den Tabellen des BBSR zur Nutzungsdauer von verschiedenen Bauteilen wird die Lebensdauer von marktgängigen Wärmedämmverbund-Systemen (Code Nr. 335.641) mit 40 Jahren bemessen. Laut Zahlen der Verbraucherzentrale belaufen sich die Kosten für ein Wärmedämmverbundsystem auf ca. 160 Euro bis 190 Euro pro m2.
Sanierung von WDVS
Die Haltbarkeit von Wärmedämmverbundsystemen wird durch Witterungseinflüsse und andere äußere Faktoren wie mechanische Beschädigungen beeinträchtigt. Häufig treten Schäden am Putz auf, die sowohl mechanisch als auch rein optisch sein können. Beispiele hierfür sind Risse, Abplatzungen und Salzausblühungen. Die Maßnahmen zur Behebung von Putzschäden reichen von einfachen lokalen Reparaturen des Putzes bis hin zur Erneuerung des Armierungsgewebes oder sogar dem Austausch des gesamten Systems. Durch beschädigten Putz kann langfristig Wasser in die Dämmung eindringen, was zu schwerwiegenden Problemen führen kann.
Wärmedämmverbundsysteme sind bauphysikalisch anspruchsvoll. Montagefehler können langfristig ernste Konsequenzen haben. Auch konstruktive Fehler bergen die Gefahr von Schadensfällen, da eindringende Feuchtigkeit das System stark beschädigen und eine vollständige Erneuerung erforderlich machen kann.
In einigen Fällen können alte Wärmedämmverbundsysteme aufgedoppelt werden, wenn sie noch ausreichend Tragfähigkeit besitzen. Dies ist besonders sinnvoll bei Systemen mit geringer Dämmstärke. Vor einer Aufdopplung müssen jedoch verschiedene Aspekte wie Risse im Putz, sich abzeichnende Dübel oder Dämmplatten, defekte Anschlüsse an Fenstern und Türen sowie andere potenzielle Schäden überprüft werden.
Rückbau, Verwertung und Recycling
Aufgrund der komplexen Trennung der verschiedenen Materialschichten, die das Recycling erschwert, ist der Rückbau von Wärmedämmverbundsystemen aktuell kostspielig und technisch anspruchsvoll. Die meisten Dämmstoffersteller nehmen sowohl Verschnittabfälle als auch Baustellenabfälle zurück und organisieren eine Abholung, wenn die Abfälle sortenrein und frei von Anhaftungen sind. Ausschlaggebend ist hierbei die saubere Trennung der verschiedenen Produkte bzw. Materialien.
Für nachhaltigere Gesamtlösungen müsste bei der Entwicklung von Bau- und Dämmstoffen verstärkt auf die Kreislauffähigkeit der Systeme geachtet werden, indem sowohl die Materialien als auch der Aufbau der Systeme so gestaltet werden, dass sie am Ende ihres Lebenszyklus effizient recycelt bzw. wiederverwendet oder alternativ dem biologischen Kreislauf zugeführt werden können.
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Weiterführende Informationen
- BBSR: Dämmmaßnahmen an Gebäudefassaden (PDF / 1 MB)
- TU Berlin: Leitfaden Recyclingpotential von Mineralwolle (PDF / 1 MB)
- Conversio: Waste generation, waste streams and recycling potentials of HBCD containing EPS/XPS waste in Europe and forecast model up to 2050 (PDF / 933 KB)
- Fraunhofer IFAM: Nachdämmung („Aufdoppelung“) alter Wärmedämmverbundsysteme an Wohngebäuden (PDF / 3 MB)
- Fraunhofer IBP: Ressourcen der Zukunft für Dämmsysteme, Putze und Mörtel (PDF / 8 MB)