Paludikulturen: Klimaschutz mit nachhaltigen Baustoffen
Stand: April 2023Trockengelegte Moorlandschaften wiederbeleben und nachwachsende Rohstoffe als Baustoffe nutzen – das ist gelebter Klimaschutz. Beides lässt sich mit Paludikulturen verwirklichen. Dabei geht es um Pflanzen wie Schilf, Rohrglanzgras oder Rohrkolben, die in Nasswiesen und Moorlandschaften wachsen und die mit ihren bauphysikalischen Eigenschaften an vielen Stellen herkömmliche Dämm- und Baustoffe ersetzen können. Wir zeigen ihr Potenzial auf – für den Klimaschutz und für das nachhaltige Bauen und Sanieren.
Moore sind Klimaschützer
Moore haben als effektive Kohlenstoffspeicher eine besondere Bedeutung für den Klimaschutz. Dort hat sich über Jahrtausende aus der organischen Masse von Pflanzenresten Torf gebildet, der zum Großteil aus Kohlenstoff besteht. Schätzungen gehen davon aus, dass intakte Moore weltweit etwa 600 Milliarden Tonnen Kohlenstoff speichern – das ist doppelt so viel wie in allen Wäldern der Erde zusammen. Und das, obwohl Moore nur drei Prozent der Landmasse ausmachen. Doch Moore wurden in den letzten Jahrhunderten für Ackerflächen und Grünland entwässert – in Deutschland zu etwa 95 Prozent. Das Problem: Werden Moore trockengelegt, reagiert der Torf mit Sauerstoff und es werden große Mengen klimaschädlicher Gase wie CO2 und Lachgas freigesetzt. So sind entwässerte Moore allein für etwa sieben Prozent der gesamten deutschen Treibhausgasemissionen verantwortlich.
Das ist ein Grund, warum Deutschland im November 2022 eine Nationale Moorschutzstrategie verabschiedet hat. Damit will die Bundesregierung bestehende, intakte Moore besser schützen und gleichzeitig die Wiedervernässung von bisher entwässerten Moorböden vorantreiben. Damit sich das lohnt, wird unter anderem eine nachhaltige Bewirtschaftung in Form von Paludikulturen („palus“ = lat. „Sumpf, Morast“) angestrebt und gefördert. Der Begriff beschreibt die land- und forstwirtschaftliche Nutzung nasser Moore, beispielsweise mit dem Anbau von Schilf, Rohrkolben oder Gräsern. Paludikulturen tragen dazu bei, dass der noch bestehende Torf nicht nur im Boden erhalten bleibt, sondern sich im Idealfall neu bilden kann. Das Potenzial ist groß: Es gibt in Deutschland rund 1,8 Millionen Hektar Moorböden, ein Großteil davon im Norddeutschen Tiefland und im Alpenvorland.
Um das Ziel des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, müssten hierzulande jedes Jahr mindestens 50.000 Hektar Moorfläche wiedervernässt werden – aktuell sind es allerdings nur etwa 2.000 Hektar.
Nachwachsende Baustoffe mit vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten
Der Bausektor kann eine wichtige Rolle als Abnehmer für Biomasse aus Paludikulturen spielen. Heimische Pflanzen wie Schilf, Rohrkolben und Gräser können in wiedervernässten Moorlandschaften wachsen und als nachhaltige Baustoffe eingesetzt werden. Der während der Wachstumsphase gebundene Kohlenstoff kann außerdem langfristig in Gebäuden gespeichert werden. Schilf ist in Gebäuden vielseitig einsetzbar, zum Beispiel als Dämmmaterial, für Reetdächer und als Sichtschutz. Innovative Baustoffe aus Rohrkolben können als Füllmaterial in Lehmputz, als Dämmplatten oder auch für den Innenausbau verwendet werden. Die besondere Struktur der Blätter aus Schwamm- und Stützgewebe führt zu einer guten Dämmwirkung und guten Trageeigenschaften. Diese Baustoffe sind durch ihre energiearme und ökologische Herstellung umweltfreundlicher als mineralische oder synthetische Alternativen und wären zudem regional verfügbar.
Neue Wertschöpfungsketten etablieren
Der Anbau von Paludikulturen ist bereits erprobt. Um das Potenzial zu heben, ist es notwendig, neue Märkte zu schaffen. Denn für den dauerhaften Erfolg müssen sich Paludikulturen nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch rechnen. Dafür gibt es bereits heute eine Reihe von Pilotprojekten und innovativen Lösungen. Das vier Milliarden Euro schwere Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz des Bundesumweltministeriums sieht bis 2026 weitere Investitionen vor, unter anderem für neue Wertschöpfungsketten für Paludikulturen. Entscheidend ist aber auch das Wissen in der Baubranche um die Potenziale von Paludikulturen sowie mehr Offenheit für Baustoffe aus Paludi-Biomasse.