Suffizienz: Wie viel brauchen wir wirklich?
Stand: Oktober 2022Das urbane Wohnraumangebot ist knapp. Eine mögliche Lösung lautet: mehr Suffizienz, also flächensparendes Wohnen. Doch wie genau lässt sich das erreichen?
Eine adäquate, bezahlbare Wohnung zu finden, ist heute in vielen Großstädten nahezu unmöglich. Neben fehlenden Wohnungen sind auch die individuellen Wohnpräferenzen ein Problem: Die Zahl der Menschen in einem Haushalt nimmt kontinuierlich ab. Gleichzeitig steigt die Wohnfläche pro Person enorm: 1960 verfügten Bundesbürgerinnen und -bürger durchschnittlich über rund 20 Quadratmeter, 1990 waren es schon 34,9. Heute liegt die Pro-Kopf-Wohnfläche bei 47,7 Quadratmetern – im Schnitt hat jeder und jede also fast zweieinhalbmal so viel Wohnfläche zur Verfügung wie vor 60 Jahren.
Neue Wohnkonzepte, wenn die Kinder aus dem Haus sind
Als Antwort auf den Wohnraummangel werden vielerorts Neubauoffensiven gestartet, die einen enormen Flächen- und Ressourcenverbrauch nach sich ziehen – von der Herstellung der Baustoffe bis zum Heizen der entstandenen Wohnungen. Doch es geht auch nachhaltiger: Zumindest teilweise ließe sich der Bedarf durch bereits bestehende Häuser und Wohnungen decken, wenn diese besser genutzt würden. Auf welche Weise diese Potenziale erschlossen werden können, hat jüngst das BMBF-geförderte Projekt OptiWohn untersucht.
Es ging der Frage nach, wie eine optimierte Nutzung der Wohnfläche proaktiv gefördert werden kann. Zentral sind kommunale Wohnraumagenturen. Sie identifizieren Wohnraumbedarfe im Quartier, bieten Beratung für Wohnungssuchende an, vermitteln alternative Wohnungen oder initiieren Angebote zum Wohnungstausch. Im Mittelpunkt stehen dabei Senioren, die nach dem Auszug der Kinder in zu groß gewordenen Wohnungen und Häusern wohnen. In den drei Modellstädten Göttingen, Köln und Tübingen erhielten sie dazu Beratung: Manche möchten umbauen und eine Einliegerwohnung abtrennen. Andere möchten Untermieter aufnehmen. Und wieder andere möchten umziehen. Denkbar ist auch die Konzeption von Neubauten mit gemeinschaftlichen Wohnformen, bei denen weniger Wohnfläche pro Person anfällt, und in die Senioren aus ihren großen Wohnungen ziehen können.
Kommunen wollen mit Suffizienz punkten
Bereits in der Planungsphase eines Neubaus sollte der Suffizienzgedanke eine besondere Rolle spielen. Der Deutsche Städtetag fordert beispielsweise in einem Papier die Kommunen als größte öffentliche Bauherren dazu auf, in Sachen Suffizienz eine Vorbildfunktion einzunehmen. Dazu zählt eine flexible Raumplanung, die auch verschiedene Nutzungen zulässt. Neben Bestandserhaltung und -erneuerung sollen für das kommunale Bauwesen die folgenden Leitfragen wesentlich sein:
- Bedarf: Wird der Raum wirklich gebraucht oder lassen sich durch bessere Organisation andere Lösungen im Sinne der funktionalen und zeitlichen Mehrfachnutzung finden?
- Funktion: Welche Funktionen können gemeinschaftlich organisiert werden, welche müssen individuell organisiert werden?
- Quantität: Wieviel Raum ist wirklich erforderlich und wie kann dieser optimal genutzt und gestaltet werden?
- Bestand: Was lässt sich vom Vorgefundenen erhalten, was wird sinnvollerweise neu hinzugefügt?
- Organisation: Wie lassen sich Mehrfachnutzungen funktional und zeitlich organisieren, um Flächen zu sparen? Welche Voraussetzungen sind hierfür zu schaffen?
Die Antworten darauf helfen, durch Suffizienz den finanziellen Aufwand und den Ressourcenverbrauch deutlich zu reduzieren.
Was heißt suffizientes Wohnen?
Suffizientes Wohnen befriedigt einerseits die menschlichen Grundbedürfnisse, ohne dabei andererseits die ökologischen Belastungsgrenzen zu überschreiten.
Weiterführende Links
- Projekt OptiWohn: Quartiersspezifische Sondierung und Entwicklung innovativer Strategien zur optimierten Nutzung von Wohnflächen
- Papier des Deutschen Städtetages: Nachhaltiges und suffizientes Bauen in den Städten