Lebenszyklusbetrachtung
Um den heutigen Anforderungen an Gebäude wie Wohnqualität, Wirtschaftlichkeit, Dauerhaftigkeit, Umnutzbarkeit und Rückbaubarkeit gerecht zu werden, ist eine vorausschauende und ganzheitliche Planung erforderlich.Hierfür ist es unabdingbar, den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes zu berücksichtigen.
Vorteile der Lebenszyklusbetrachtung
Eine Berücksichtigung des gesamten Lebenszyklus bereits in frühen Entwurfs- und Planungsstadien ermöglicht es, die Aufwendungen über die gesamte Lebensdauer eines Gebäudes hinsichtlich ökologischer und ökonomischer Aspekte zu minimieren, während eine hohe Nutzungsqualität sichergestellt werden kann. Gegebenenfalls können hierbei höhere Planungs- und Umsetzungskosten anfallen, welche sich jedoch in der Regel, insbesondere durch Einsparungen bei den Nutzungs-, Betriebs- und Instandhaltungskosten, refinanzieren, so dass insgesamt eine Senkung der Lebenszykluskosten ermöglicht wird.
Durch die Umsetzung einer höheren Dauerhaftigkeit und Flexibilität für spätere Umnutzungen bleibt der Wert eines Gebäudes zudem länger erhalten und im Falle eines Verkaufs können in der Regel weitere wirtschaftlichen Vorteile generiert werden.
Neben den ökonomischen Aspekten bietet eine ganzheitliche Lebenszyklusplanung auch wesentliche ökologische Vorteile. Die Anwendung reversibler Konstruktionsmethoden und emissionsarmer Baustoffe ermöglicht eine sortenreine Rückgewinnung und Wiederverwertung von Bauprodukten, wodurch der Bedarf an Primärrohstoffen reduziert und die CO₂-Bilanz des Bauwerks verbessert wird. Dies ist oft die Voraussetzung für eine anschließende Wiederverwendung oder ein hochwertiges Recycling von Baustoffen und Bauprodukten, womit eine Verringerung der Produktqualität (Downgrading) verhindert werden kann. Die Verwertung von Baustoffen zieht in den meisten Fällen ein derartiges Downgrading nach sich. So können beispielsweise Beton und Ziegel oft nur noch als minderwertige Schüttungen für den Straßenbau verwertet werden. Durch die lebenszyklusoptimierte Planung soll zudem der Entsorgung von Baustoffen auf Deponien vorgebeugt werden, nicht nur um wertvolle Rohstoffe zu erhalten, sondern auch um den erneuten Energieeinsatz für die Herstellung neuer Baustoffe sowie die damit verbundenen Treibhausgasemissionen einzusparen. Dies würde einen Wandel von der Linearwirtschaft („Wegwerfgesellschaft“) hin zu einer kreislauffähigen Wirtschaft bedeuten, der auch von der Europäischen Kommission angestrebt wird.
Um den heutigen Anforderungen an Gebäude in Bezug auf Wohnqualität, Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit und Anpassungsfähigkeit gerecht zu werden, ist eine vorausschauende Planung erforderlich. Internationale Standards wie die DIN EN 15978 und DGNB- und WGBC-Zertifizierungen betonen die Wichtigkeit der Lebenszyklusbetrachtung für eine kreislauffähige Bauwirtschaft.
Lebenszyklusphasen
Der Lebenszyklus von Gebäuden kann grob in die folgenden Phasen unterteilt werden:
- Planung/Herstellung
- Errichtung
- Nutzung und Betrieb
- Instandhaltung und Modernisierung
- Umnutzung/Weiternutzung
- Rückbau
- Wiederverwendung/Recycling/Entsorgung
Die DIN EN 15804 „Nachhaltigkeit von Bauwerken - Umweltproduktdeklarationen - Grundregeln für die Produktkategorie Bauprodukte" und DIN EN 15978 „Nachhaltigkeit von Bauwerken - Bewertung der umweltbezogenen Qualität von Gebäuden - Berechnungsmethode" definieren die Lebenszyklusphasen im Bauwesen, wobei in der Planungsphase ressourcenschonende Konzepte entwickelt werden und in der Rückbauphase eine Wiederverwendung oder ein Recycling von Baustoffen angestrebt wird.
Lebenszyklusanalyse
Mit dem Ziel der deutschen Bundesregierung, bis 2045 einen klimaneutralen Gebäudebestand zu erreichen, rückt die ganzheitliche Betrachtung des Lebenszyklus von Gebäuden und Baustoffen verstärkt in den Fokus.
Eine systematische Analyse der Umweltwirkungen von Produkten, Verfahren oder Dienstleistungen entlang des gesamten Lebenswegs kann mittels einer Ökobilanzierung erfolgen. Eine Ökobilanz (Life Circle Assessment, LCA) befasst sich mit dabei sämtliche Umweltwirkungen, die während der Produktion, der Nutzungsphase und der Entsorgung sowie den damit verbundenen vor- und nachgeschalteten Prozessen (z.B. die Herstellung der Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe) entstehen. Es werden dabei Umweltauswirkungen analysiert, die über die reinen Treibhausgasemissionen (THG-Emissionen) hinausgehen.
Eine CO2-Bilanzierung erhebt und bewertet hingegen einzig die THG-Emissionen inklusive der Äquivalente. Im Vergleich zur Ökobilanzierung werden folglich weniger Daten erhoben, so dass Analyse und Auswertung weniger umfangreich ausfallen. Die CO2-Bilanzierung ist damit schneller in der Anwendung und einfacher in der Interpretation, allerdings auch beschränkter in der Aussagefähigkeit.
Datengrundlagen und Zertifizierung
Mittlerweile exisitieren verschiedene Ökobilanzdatenbanken, die Informationen über die Umweltauswirkungen von Materialien, Prozessen und Dienstleistungen über deren gesamten Lebenszyklus hinweg anbieten. Diese Daten umfassen Parameter wie den Energieverbrauch, die Treibhausgasemissionen, den Wasserverbrauch, die Ressourcengewinnung und das Abfallaufkommen. Die gespeicherten Informationen sind entscheidend für die Erstellung einer Lebenszyklusanalyse (LCA), speziell auch im Zusammenhang mit einer möglichen Zertifizierung.
Wichtiger Bestandteil dieser Datenbanken sind Umweltproduktdeklarationen (Environmental Product Declarations, EPDs). EPDs sind standardisierte Dokumente, die quantifizierte Umweltinformationen über den Lebenszyklus eines Produkts bereitstellen.
Entwicklung und Integration in die Gesetzgebung
Insbesondere durch verschärfte europäische Anforderungen im Rahmen des „Fit für 55“-Pakets der EU-Kommission hat das Thema Lebensyzyklusbetrachtung und die Berücksichtigung von Ökobilanzen im Gebäudebereich vor allem in den letzten Jahren noch einmal deutlich an Bedeutung gewonnen. Erste Ideen für eine fundierte und umfassende Bilanzierung, die den gesamten Lebenszyklus eines Produktes erfasst, entstanden aber bereits Ende der 1980er Jahre und wurden seit dem umfassend weiterentwickelt.
Lebenszykluskosten
Gebäude, die unter Berücksichtigung ökologischer und nachhaltiger Aspekte geplant werden, erweisen sich trotz höherer initialer Baukosten häufig über die gesamte Lebensdauer betrachtet als wirtschaftlich vorteilhafter, da sie niedrigere Betriebs- und Entsorgungskosten verursachen. Eine Lebenszyklus-Kostenanalyse (Life Cycle Cost Analysis oder LCCA) ermöglicht es, Gebäude nicht nur anhand ihrer Baukosten, sondern systematisch unter Berücksichtigung aller langfristigen Ausgaben zu bewerten.
Lebenszyklusbetrachtung bei Quartieren
Die Lebenszyklusanalyse (LCA) für Quartiere oder städtische Gebiete ist ein komplexer Prozess, der darauf abzielt, die Umweltauswirkungen eines gesamten Stadtteils über dessen Lebenszyklus hinweg zu bewerten.
Digitale Methoden und Tools
Mittlerweile existieren eine Vielzahl an digitalen Lösungen sowie Tools, die dabei unterstützen, die Lebenszyklusbetrachtung strukturiert und methodisch korrekt in Planungsprozesse zu integrieren. BIM und Simapro sind bewährte digitale Tools, die durch simulationsgestützte Planung den Planungsaufwand reduzieren und eine verbesserte Lebenszyklusoptimierung ermöglichen.
Vortragsfolien und Erklärvideo
Vortragfolien
Das Expertenteam vom Gebäudeforum hat übersichtliche Vortragsfolien erstellt, die auszugsweise oder in Gänze für eigene Präsentationen zum Thema verwendet werden dürfen.
Vortragsfolien zum Lebenszyklus
Eine Zusammenstellung von Präsentationsfolien zur Verwendung in Vorträgen zum Thema Lebenszyklus.
Erklärvideo des Gebäudeforums
Dieses Video des Gebäudeforums klimaneutral zeigt, mit welchem Ansatz und welchen Maßnahmen ein klimaneutraler Gebäudebestand möglich ist.
Downloads und Tools
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Werkzeug für energetische Vordimensionierung und Ökobilanzierung
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