Zirkuläres Bauen
Stand: November 2023Die Bauwirtschaft steht vor einer umfassenden Transformation. Neue Ansätze sind notwendig, damit eingesetzte Baumaterialien lange und möglichst ohne Qualitätsverlust in geschlossenen technischen oder biologischen Kreisläufen geführt werden können und nicht als Abfall enden.
Zirkuläres Bauen oder „cradle-to-cradle“
Kreislaufprinzip, Circular Economy, kreislauffähiges Bauen, zirkuläres Bauen oder „cradle-to-cradle“ beschreiben im Kern das Prinzip, dass Rohstoffe für Produkte und Gebäude so zu planen und einzusetzen sind, dass sie entweder in gleicher Qualität erhalten und wiedergenutzt, also in einem technischen Kreislauf geführt werden können oder komplett abbaubar in den biologischen Kreislauf zurückgeführt werden können. Bei richtiger Planung und Materialauswahl können Ressourcen sozusagen in endlosen Kreisläufen geführt und so stetig wiedergenutzt werden, statt sie als Abfall zu entsorgen.
Die Kreislaufwirtschaft ist ein großer Hebel im ressourcen- und klimaschonenden Wirtschaften. Sie steht im Gegensatz zum traditionellen, linearen Wirtschaftsmodell der „Wegwerfwirtschaft“, das auf Entnehmen – Herstellen – Konsumieren – Wegwerfen setzt. Der Bausektor bietet hier das größte Potenzial, denn er ist für über 55 Prozent des Abfallaufkommens in Deutschlands verantwortlich. Das gesamte verbaute Material im deutschen Gebäudebestand wird auf ca. 15 Milliarden Tonnen geschätzt. Dieses Material kann bei knapper werdenden Ressourcen und entsprechender Verarbeitung, sortenreinem und fachlich fundiertem Rückbau weiter genutzt werden, wenn nach den Prinzipien einer echten Kreislaufwirtschaft geplant und gebaut wird.
Um das zirkuläre Bauen erfolgreich umsetzen zu können, ist es zusätzlich notwendig, dass in den Gebäuden schadstofffreie, langlebige und vollständig nachnutzbare Baustoffe sowie Bauteile eingesetzt werden, die sich sortenrein trennen und auch reparieren lassen oder vollständig kompostierbar sind. Nachhaltiges und kreislauffähiges Bauen beginnt also mit der richtigen Materialauswahl und einer rückbaubaren Planung. Hier setzt das Urban Mining Design an. Zukünftige Gebäude werden so geplant, dass sie als zukünftige Materialdepots genutzt werden können.
Auch zirkuläre Geschäftsmodelle gewinnen damit zunehmend an Bedeutung. Sie können Hebel sein, um Ressourcen und Potenziale des Bausektors für den Übergang zu einer nachhaltigeren Wirtschaft zu nutzen und den Materialeinsatz zu minimieren. Innovative Unternehmen erschließen sich aktuell bereits neue Geschäftsfelder und gestalten etablierte Märkte mit großer Geschwindigkeit um.
Geschäftsmodelle für zirkuläres Bauen und Sanieren – Die Rolle innovativer Geschäftsmodelle in der Transformation des Bausektors
Die dena-Studie bietet einen fundierten Einblick in die zirkuläre Transformation des Bausektors und beleuchtet den gesamten Lebenszyklus von Gebäuden sowie Geschäftsmodelle und Praktiken, die eine zirkuläre Zukunft in der Bauindustrie ermöglichen.
Environmental Product Declarations
Environmental Product Declarations (EPDs) sind standardisierte Kennzahlen zu Umweltauswirkungen von Baustoffen. Sie erhöhen die Transparenz über Ressourcen- und Energieverbrauch sowie CO2-Belastungen bei Herstellung, Transport, Nutzung und Entsorgung. EPDs fördern nachhaltiges Bauen und Kreislaufwirtschaft im Gebäudesektor. Verschiedene Organisationen wie IBU, Fraunhofer IBP, und ECO-Platform erstellen bereits EPDs für Materialien wie Zement, Stahl, Holz, Glas und Dämmstoffe. Die EU arbeitet derzeit an europaweiten Regularien zur verpflichtenden Einführung von EPDs in wenigen Jahren. Dieses Informationsformat bietet Vorteile für die Baubranche, Betreiberinnen und Betreiber, Produktionsunternehmen sowie Kommunen, indem es Umweltauswirkungen bewertet, Zugang zu Ausschreibungen und Fördermitteln erleichtert sowie die Marktposition und Transparenz von Herstellern stärkt.
Wiederverwendung von Materialien
Einige Rohstoffe, beispielsweise Glas und Stahl, werden bereits heute in größerem Umfang in die Produktion rückgeführt, Frischbeton, Mauerziegel, Glaswolle, Holzfaserplatten und andere Baustoffe hingegen nur in sehr geringen Mengen. Grund dafür sind die Qualitätsanforderungen an die Materialien. Das Wiederverwendungspotenzial aller verbauten Rohstoffe im Bauwesen liegt laut Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) heute bei ca. sieben Prozent und könnte bei positiven Rahmenbedingungen bis 2050 auf ca. 20 Prozent angehoben werden. Dies bedingt einen deutlich geringeren Anteil an Neubauten und zugleich die langfristige und nachhaltige Nutzung und Umnutzung bestehender Gebäude. Der Ressourcenverbrauch sowie die Rückbaupotenziale werden zu einem großen Teil in der Planungsphase von Entscheidungen über Gestaltung, Konstruktion, Details und Baumaterialien bestimmt.
Digitaler Materialpass – eine Voraussetzung
Ein wichtiges Instrument für die Umsetzung der Kreislaufwirtschaft im Baubereich ist die Digitalisierung. Die Nutzung von BIM sowie die grundsätzliche digitale Erfassung des gesamten Baubestands mit Hilfe einer digitalen Datenbank, wie einem Materialkataster, ermöglicht erst die notwendige Transparenz in diesem komplexen System. In einem sogenannten Materialpass können Daten über Herkunft, Qualität, CO2-Fußabdruck oder auch die Nachnutzungsfähigkeit von Baumaterialien erfasst werden. Um Klimaneutralität bis 2050 im Gebäudebestand zu erreichen, arbeitet die Bundesregierung aktuell an den Grundlagen für die Konzeption und Einführung eines verpflichtenden digitalen Gebäuderessourcenpasses, um einen stärkeren Fokus auf Themen wie graue Energie, Lebenszykluskosten und Ressourcenschonung zu legen.
Es gibt bereits innovative Tools in Form von digitale Datenbanken von privaten Anbietern, deren Markteinführung in Deutschland voranschreitet.
Zirkuläre Geschäftsmodelle im Baubereich
Die Kreislaufwirtschaft wird Unternehmen helfen, im Einklang mit der EU-Abfallrahmenrichtlinie zu handeln und sowohl Rohstoffkosten als auch Kosten für die Abfallbewirtschaftung einzusparen. Mit Hilfe von zirkulären Kreisläufen werden nur noch wenige oder gar keine Abfälle mehr deponiert, was angesichts steigender Deponiekosten in der EU finanzielle Vorteile mit sich bringt (siehe EU-Richtlinie 1999/31/EG über Abfalldeponien). Nährstoffe von nachhaltigen Baustoffen können durch Kompostierungs- und Biovergärungsanlagen in die Biosphäre zurückgeführt werden. Darüber hinaus kann zirkuläres Bauen im Rahmen von energetischen Sanierungsmaßnahmen einen wesentlichen Beitrag leisten für die in Gang gebrachte EU-weite Renovierungswelle hin zu einem klimaneutralen Gebäudebereich.
Kreislaufwirtschaft im Bausektor basiert auf einem systemorientierten Ansatz, der es ermöglicht, den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes und die Wertschöpfungsketten im Bauwesen zu berücksichtigen. Dabei werden Hebel identifiziert, durch die zirkuläre Geschäftsmodelle in den jeweiligen Lebenszyklusphasen von Gebäuden umgesetzt werden können. Drei Phasen stehen hierbei im Fokus: Circular Design, Circular Use und Circular End of Life. Daneben werden Hemmnisse ausgemacht und Möglichkeiten aufgezeigt, wie diese Hemmnisse abgebaut werden können.
Ansätze zur Abfallvermeidung im Bausektor
Der Bausektor gehört zu den ressourcenintensivsten Wirtschaftssektoren. Seine Bau- und Abbruchabfälle umfassen mit 229,4 Millionen Tonnen 55 Prozent des gesamten Abfallaufkommens in Deutschland und haben ein großes Potenzial für eine weitergehende Verwertung. Auf dem Weg zum Zero-Waste-Bausektor eröffnet die Verwertung von Gebäuden am bisherigen Lebenszyklusende große Potenziale für mehr Ressourceneffizienz, für Wiederverwendung und für Abfallvermeidung. Die EU hat dafür Programme und Richtlinien initiiert beispielsweise mit dem Green Deal oder dem EU-Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft.
Um diese Prozesse voranzutreiben, gibt es bereits erste Zertifizierungssysteme. Ihr Ziel ist, das Abfallaufkommen während des Baus, des Betriebs und der Instandhaltung von Gebäuden und der bebauten Umwelt zu reduzieren.
Kreislaufwirtschaft auf europäischer und deutscher Ebene
Die Europäische Union hat mit dem Aktionsplan Circular Economy einen Rahmen geschaffen, der ein Umdenken im Handeln und Wirtschaften im Sinne der Kreislaufwirtschaft auslösen soll.
Diverse Plattformen, Marktplätze und Organisationen haben sich auf das Thema Urban Mining spezialisiert. Sie bieten gebrauchte Bauteile und recycelte Baustoffe oder Materialien an, damit kreislauffähige Planung und entsprechender Rückbau praktisch umgesetzt werden kann.
EU-Aktionsplan für Kreislaufwirtschaft
Als einen der Hauptbestandteile des European Green Deal5 hat die EU Anfang 2020 einen Aktionsplan zur Förderung einer effizienteren Ressourcennutzung durch den Übergang zu einer sauberen und kreislauforientierten Wirtschaft veröffentlicht. Der neue Aktionsplan Circular Economy Action Plan kündigt Initiativen entlang des gesamten Lebenszyklus von Produkten an, die z.B. auf deren Design einwirken, Prozesse der Kreislaufwirtschaft fördern, den nachhaltigen Konsum unterstützen und darauf abzielen, dass die verwendeten Ressourcen so lange wie möglich in der EU-Wirtschaft verbleiben. Auch wird ein elektronischer bzw. digitaler Produktpass (DPP) als wesentliches Instrument für eine klimaschonende und ressourceneffiziente Wirtschaft genannt. Dieser soll u.a. Informationen über Herkunft, Zusammensetzung, Reparatur- und Demontagemöglichkeiten eines Produktes sowie über die Handhabung am Ende seiner Lebensdauer liefern.
Um das Potenzial zur Steigerung der Materialeffizienz und zur Verringerung der Klimaauswirkungen auszuschöpfen, will die Europäische Kommission eine neue umfassende Strategie für eine nachhaltige bauliche Umwelt auf den Weg bringen. Die Grundsätze der Kreislaufwirtschaft sollen während des gesamten Lebenszyklus von Gebäuden durch folgende Maßnahmen gestärkt werden.
Kreislaufwirtschaftsgesetz in Deutschland
In Deutschland fallen laut dem Zentralverband Deutsches Baugewerbe durch die Bauindustrie jährlich rund 220 Millionen Tonnen mineralische Abfälle an. Sie entstehen bei Modernisierung, Renovierung und Neubau sowie durch Abbruchmaßnahmen. Die schadlose Entsorgung wird über das Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) geregelt, das eine möglichst hochwertige Kreislaufführung der Stoffströme anstrebt. Das KrWG setzt die EU-Abfallrahmenrichtlinie in nationales Recht um. Ziel des Gesetzes ist eine nachhaltige Verbesserung des Umwelt- und Klimaschutzes sowie der Ressourceneffizienz in der Abfallwirtschaft durch die Stärkung der Abfallvermeidung und des Recyclings von Abfällen.
Durch das KrWG werden erstmals alle Stoffe oder Materialien, die bei Bauarbeiten anfallen und nicht im Rahmen der Baumaßnahme wieder verbaut werden, grundsätzlich zu Abfall erklärt. Auch ausgehobener Boden ist ab sofort „Abfall“, es sei denn, er ist nicht kontaminiert und wird an Ort und Stelle für Bauzwecke verwendet. Kern des KrWG ist die fünfstufige Abfallhierarchie. Abfälle sind gemäß dieser Hierarchisierung an erster Stelle zu vermeiden. Wenn das nicht möglich ist, sollen sie zur Wiederverwendung vorbereitet und anschließend recycelt werden. Ist auch dies nicht möglich, ist der Bauabfall energetisch zu verwerten oder zu verfüllen. Nur wenn auch dies nicht möglich ist, muss der Abfall beseitigt (deponiert) werden. Dabei muss die Verwertung von (Bau-)Abfällen ordnungsgemäß und schadlos erfolgen.
Bis 2020 sollte gemäß KrWG eine stoffliche Verwertungsquote der Bau- und Abbruchabfälle von mindestens 70 Prozent erreicht werden. Deutschland hat gemäß der Initiative Kreislaufwirtschaft eine derzeitige Verwertungsquote bei den mineralischen Abfällen von ca. 90 Prozent (Zahlen aus 2016). Die Ziele werden damit erreicht, die Quote beinhaltet jedoch neben der hochwertigen Wiederverwendung auch das Downcycling der vierten Stufe der Abfallvermeidungshierarchie und schließt auch die Verfüllung von Bauschutt z.B. im Straßenbau ein (Kreislaufwirtschaft Bau, 2018).
Best-Practice-Beispiele und Innovationen
Downloads und Tools
Downloads
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Leitfäden
Zirkuläres Bauen erfolgreich gestalten
Der Leitfaden richtet sich an Entscheidungstragende, Bauverantwortliche und Planende, die ein Umfeld für kreislauffähiges Bauen schaffen bzw. zirkuläre Bauvorhaben erfolgreich umsetzen möchten. Ergänzt wird er durch Textbausteine und PDF-Checklisten.
Stand: Oktober 2024 -
Leitfäden
A wie Zirkulär – Ein Leitfaden zum Planen und Bauen im Kreislauf
Der Leitfaden gibt einen Einblick, welche Chancen das zirkuläre Planen und Bauen birgt, aber auch, welche Herausforderung noch existieren. Weiterhin liefert er wertvolle Anregungen durch wegweisende Praxisbeispiele im In- und Ausland.
Stand: November 2024 -
Studien & Berichte
Geschäftsmodelle für zirkuläres Bauen und Sanieren – Die Rolle innovativer Geschäftsmodelle in der Transformation des Bausektors
Die dena-Studie bietet einen fundierten Einblick in die zirkuläre Transformation des Bausektors und beleuchtet den gesamten Lebenszyklus von Gebäuden sowie Geschäftsmodelle und Praktiken, die eine zirkuläre Zukunft in der Bauindustrie ermöglichen.
Stand: November 2023 -
EPS-Leitfaden für Weiterverwertung & Recycling
Die Kreislaufwirtschaft im Blick: Praktizierte Abfallvermeidung mit EPS – aus Dämmstoff wird Wertstoff.
Stand: Dezember 2021
Tools
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Toolbox
natuREbuilt Planungstool
Digitales Planungstool des österreichischen Innovationsnetzwerks natuREbuilt für ökologisches, mehrgeschossiges Bauen.
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Toolbox
EcoTool
Das EcoTool ermöglicht bereits in der frühen Planungsphase die umfassende Ökobilanzierung eines Bauprojekts.
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Toolbox
Klimaschutz-Konfigurator
Der Klimaschutz-Konfigurator des InformationsZentrum Beton bietet Planenden die Möglichkeit, das Treibhauspotenzial von Betonbauteilen zu ermitteln und zeigt mögliche CO2-Einsparungen auf.
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Toolbox
Energiebedarf und Lebenszyklusanalyse
Werkzeug für energetische Vordimensionierung und Ökobilanzierung